Minusrekord bei der Pünktlichkeit, Milliardenschulden – jetzt auch noch, wie interne Chat-Protokolle nahelegen, eine miese Stimmung unter Bediensteten, die angesichts der Krise um ihren Job fürchten: Im Moment fügt sich bei der Bahn ein Puzzleteil ins andere und ergibt das desaströse Bild eines maroden Staatskonzerns. Dass jeden Tag auch tausende Züge (einigermaßen) pünktlich fahren, dass viele Lokführer, Zugbegleiter und Stellwerker ihr Bestes geben – nun, davon ist im Moment weniger die Rede. Die Gefahr besteht, dass von der DB ein so niederschmetterndes Bild gezeichnet wird, dass potenzielle Fahrgäste verunsichert werden und sich lieber ins Auto setzen. An dieser Situation trägt die DB-Führung die Hauptverantwortung. Abgesehen von der Strategie, die Hauptstrecken zu sanieren (was richtig ist, aber über Jahre mehr Verspätungen und noch mehr Ärger produziert), ist kein zugkräftiger Plan erkennbar, wie der träge Staatskonzern aufs richtige Gleis gesetzt werden könnte.
Die Zweifel mehren sich, ob Bahnchef Lutz noch der richtige Mann ist. Er ist unter Vorgänger Rüdiger Grube groß geworden, Fehlinvestitionen wie etwa der Kauf und (verlustreiche) Wiederverkauf des britischen Bahnunternehmens Arriva fielen auch in seine Verantwortung. Allerdings: Ein Vorstandschef ist leicht ausgetauscht, doch ein Nachfolger (Nachfolgerin?) müsste als Sanierer auch innere Reformen im Konzern in Gang bringen.
Der DB-Betrieb leidet an Dysfunktionalität. Ein Beispiel: Der S-Bahn-Chef darf keinen Meter Schiene selbst austauschen, muss Schäden an die DBInfraGo melden. Von dort geht die Befehlskette weiter und landet irgendwann bei der örtlichen Reparatureinheit – die dann auch was tut. Ein DB-Chef benötigt Ideen für eine unbürokratisch funktionierende Eisenbahn. Ideen, die Lutz im Moment offenbar nicht hat. Dirk.Walter@ovb.net