Der Auserwählte: Wer ist Vize-Kandidat Tim Walz?

von Redaktion

Pragmatisch und bodenständig: Beim ersten Wahlkampfauftritt mit Harris zeigt er seine Stärken

Vizepräsidentin Kamala Harris auf der ersten Wahlkampfveranstaltung mit ihrem Running Mate Tim Walz. © Foto: Harnik/AFP

Philadelphia – Kamala Harris hat entschieden: In einem Sportstadion in Philadelphia stellte die US-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten am Dienstag den Mann vor, mit dem sie den Wahlkampf bestreiten will: Tim Walz. Den 60-jährigen Gouverneur von Minnesota kannten bis vor kurzem nur wenige außerhalb seines Bundesstaates. Doch an diesem Abend ist er der große Star als neuer US-Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten.

Vor der applaudierenden Menge im Stadion gibt er dann schon zum Besten, wofür Harris ihn engagiert hat: Botschaften, die geradeaus sind, mit hemdsärmeligem Einschlag aus dem Mittleren Westen. Über Harris‘ republikanischen Kontrahenten Donald Trump sagt Walz etwa, dass in dessen Amtszeit die Kriminalitätsrate in den USA nach oben gegangen sei, „und da sind nicht mal die Straftaten mitgerechnet, die er selbst begangen hat“. Die Menge johlt.

Die Demokraten hatten lange nicht mehr derart gute Laune. Und die Partei bemüht sich betont darum, ihren Wahlkampf mit neuer Leichtigkeit anzugehen. Die bloße Aussicht, dass das Präsidentschaftsrennen nicht mehr ganz verloren scheint, hat die Partei innerhalb weniger Wochen in größte Verzückung versetzt.

Dabei ist völlig unklar, ob sich Harris am Ende tatsächlich gegen Trump durchsetzen kann. Dass das Rennen gegen einen verurteilten Straftäter, der seit Jahren von Skandalen umwoben ist, überhaupt derart knapp ist, müsste den Demokraten zu denken geben.

Harris kann zwar bei schwarzen Wählern, bei Frauen und bei Jungen stärker punkten als Trump. Aber die Ex-Staatsanwältin aus Kalifornien tut sich schwerer bei männlichen, weißen Wählern aus der Arbeiterschicht. Und genau da soll Walz helfen.

Der Demokrat wuchs auf dem Land auf, in einem kleinen Ort im Bundesstaat Nebraska, war beim Militär, diente bei der Nationalgarde, wurde später Lehrer und Football-Trainer, bevor er in die Politik wechselte – erst als Abgeordneter im Repräsentantenhaus, 2019 wurde er dann Gouverneur in Minnesota. Walz hat einen weit weniger glamourösen Lebenslauf als andere, die für den Vizeposten im Gespräch waren. Er kommt nicht aus einem der Swing States, der am meisten umkämpften und potenziell wahlentscheidenden Bundesstaaten, und ist bislang auf nationaler Bühne kaum bekannt. Er bringt aber einiges mit, was Harris dringend braucht.

Als weißer Mann aus dem Mittleren Westen, der in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, ist er bodenständig, pragmatisch, geht gerne jagen und hat eigene Waffen. Gleichzeitig ist er einer mit liberalen Ansichten, der sich für das Recht auf Abtreibung einsetzt oder für kostenlose Mahlzeiten für Schüler. Vor allem im linken Flügel der Partei hat er Rückhalt, weswegen Trump ihn und Harris auch als das „linksradikalste Duo in der amerikanischen Geschichte“ bezeichnet.

Walz hingegen prägt eine neue Strategie gegen Trump und Vance: Statt ebenfalls düstere Warnungen auszusprechen, macht sich der 60-Jährige über den Gegner lustig. So hat er Trump in einem Interview auch den Stempel „weird“ (seltsam) aufgedrückt. Nicht für voll genommen zu werden – das dürfte Trump besonders missfallen.

Tatsächlich aber könnte auch manch einem in der demokratischen Basis die Kombination aus Harris und Walz zu liberal sein. In den kommenden Tagen machen die beiden eine Blitz-Wahlkampftour durch alle Swing States. Der Stopp in Philadelphia ist dafür der Auftakt. Trump schickt als Kontrastprogramm seinen Vize Vance parallel zum Demokraten-Duo an all jene Orte.

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