Kursk-Offensive macht Putin nervös

von Redaktion

Sie haben überlebt: Bewohner stehen vor ihrem zerstörten Haus in Kursk. © dpa

Moskau/Kursk/Berlin – Es sei ein „beunruhigender Morgen“ für die Region Belgorod, sagt Wjatscheslaw Gladkow. Der Gouverneur wendet sich am Montagmorgen auf Telegram mit einer Videobotschaft an die Bewohner. Er spricht von „feindlichen Aktivitäten“ an der Grenze des Bezirks Krasnojaruschski und davon, dass das russische Militär alles tun werde, „um mit der Bedrohung fertig zu werden“. Trotzdem: „Um das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen“, müssten die Behörden nun damit beginnen, die Bewohner der Region an „sicherere Orte umzusiedeln“.

Wohin die Menschen gebracht werden, lässt Gladkow offen. Krasnojaruschski liegt im Nordwesten von Belgorod und schließt an das russische Gebiet Kursk an, wo die ukrainische Armee seit einer Woche auf dem Vormarsch ist. Der amtierende Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, hat bei einer Krisensitzung in Moskau offenbart, wie sehr Russland vom Einmarsch überrumpelt wurde. In seinem Gebiet seien 120 000 Menschen evakuiert worden, sagte Smirnow. Weitere 60 000 Menschen müssten noch in Sicherheit gebracht werden. Es habe zwölf Tote und 121 Verletzte, darunter zehn Kinder, gegeben. Etwa 2000 Menschen würden vermisst.

Dann plapperte Smirnow etwas zu viel aus dem Nähkästchen. Er verriet, dass 28 russische Ortschaften in ukrainischer Hand seien. Die ukrainischen Truppen seien auf 40 Kilometer Front zwölf Kilometer tief eingedrungen. Diese Angaben trugen ihm einen Rüffel des Kremlchefs ein: Der Gouverneur solle sich nicht zur militärischen Lage äußern, sondern nur zu sozialen Fragen, sagte Putin.

Die Nervosität in Moskau ist greifbar. Wladimir Putin hat seine Streitkräfte angewiesen, den ukrainischen Vormarsch endlich zu stoppen. „Die Hauptaufgabe des Verteidigungsministeriums besteht nun darin, den Feind aus unseren Gebieten zu vertreiben und eine zuverlässige Grenzsicherung zu gewährleisten“, erklärte der russische Präsident bei der Krisensitzung.

Nach ukrainischen Angaben hat die Armee inzwischen eine Fläche von rund tausend Quadratkilometern unter ihre Kontrolle gebracht. Die Angriffe haben der ukrainischen Armee Bewegungsfreiheit verschafft und die russische Seite vor unerwartete Probleme gestellt. Von Bürgern in der betroffenen russischen Region gab es in den vergangenen Tagen viele Klagen, dass die Evakuierung schlecht organisiert sei.

In Berlin will man von der Offensive vorab nichts gewusst haben. Die Operation sei geheim und „ohne Rückkoppelung“ vorbereitet worden, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Besonders heikel ist indes die Frage, inwiefern deutsche Waffen auf russischem Gebiet zum Einsatz kommen – denn die Ukraine setzt in Kursk vermutlich auch deutsche Schützenpanzer ein. Das Verteidigungsministerium sagte dazu, dass es keine grundsätzlichen Hinderungsgründe für einen Einsatz der von Deutschland gelieferten Waffen gibt. „Das Völkerrecht sieht das so vor, dass sich ein verteidigender Staat auch auf dem Gebiet des Angreifers wehren darf. Das ist eindeutig, auch aus unserer Sicht“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Kiew schweigt bisher zu seinen Zielen in Westrussland. Putin vermutet, dass die Ukraine mit dem Vorstoß ihre Verhandlungsposition stärken will. Er erteilte Gesprächen aber eine Absage. „Über welche Art von Verhandlungen können wir überhaupt mit Leuten reden, die wahllos Zivilisten und zivile Infrastruktur angreifen oder versuchen, Atomkraftwerke zu gefährden?“ Die russische Offensive in der Ukraine werde ungehindert weitergehen, sagte er.

Derweil ist nach einem Brand am russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine nach Kiewer Angaben keine erhöhte Strahlung gemessen worden. „Mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, den Überwachungssystemen, wurden noch keine Emissionen oder Freisetzungen radioaktiver Stoffe festgestellt“, sagte Vize-Energieministerin Switlana Hryntschuk. Das Feuer vom Sonntagabend habe wohl einen Kühlturm und andere Anlagen beschädigt.

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