Private Südschiene: Danyal Bayaz und seine Frau Katharina Schulze, Bayerns Grünen-Fraktionschefin. © Hoermann/SVEN SIMON
„Söder muss man mit Humor nehmen“: Minister Danyal Bayaz beim Interview in der Redaktion. © Marcus Schlaf
München – Ein grüner Realo redet seiner Partei ins Gewissen: Danyal Bayaz, Baden-Württembergs Finanzminister, fordert unter anderem einen strengeren Kurs in der Migration. Der 40-Jährige, geboren in Heidelberg, gilt als Klartexter, wurde sogar mal gehandelt für die Nachfolge seines Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Er promovierte vor der Polit-Karriere über Finanzmärkte, lebte eine Zeit in den USA. In München sieht man ihn übrigens häufiger: Er ist Ehemann der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze, beide werden in Kürze zum zweiten Mal Eltern.
Die letzten Umfragen sehen die Grünen bei 12 Prozent, im Osten unter 5. Was erleben wir da gerade mit Ihrer Partei?
Wir erleben eine komplett neue Weltlage nach Pandemie, russischem Angriffskrieg, hoher Inflation und geopolitischen Spannungen. Das bekommt meine Partei besonders ab, weil sich der Zeitgeist stark gewandelt hat. In einer Zeit großer Veränderungsbereitschaft schien eine grüne Kanzlerkandidatur realistisch. Inzwischen wird Veränderung aber schnell als Zumutung empfunden. Dazu kommen handwerkliche Fehler in der Regierung und die dauerhaften Streitereien in der Ampel, die keiner mehr hören mag.
Was müssen die Grünen daraus lernen?
Das Wichtigste ist: Wir müssen uns auf Dinge konzentrieren, die funktionieren. Beim Klimaschutz haben wir uns im Klein-Klein des Heizungsgesetzes verheddert, wollten bis in den Heizungskeller zu viele Details regulieren. Das ist nach hinten losgegangen. Wir hätten uns noch stärker auf funktionierende marktwirtschaftliche Instrumente wie den CO2-Preis und positive Anreize zum Umbau der Wirtschaft konzentrieren sollen. Ein steigender CO2-Preis macht fossile Heizungen zwangsläufig teuer und unattraktiv. Wir brauchen außerdem einen klareren, pragmatischeren Kurs bei Integration und Migration.
Sie sind einer der wenigen mit Klartext zu einer strengen Migrationspolitik. Was läuft falsch?
Das Wort Klartext mag ich nicht. Es suggeriert, man müsse nur ein paar Law-and-order-Parolen raushauen und das Problem löse sich. Aber: Wir müssen erst mal anerkennen, dass wir die irreguläre Migration eindämmen und zurückdrängen müssen, auch um die Integrationsfähigkeit vor Ort noch halten zu können. Wenn wir dieses Thema nur mit spitzen Fingern anfassen, trauen uns die Menschen eben auch keine Lösungen zu. Wir sollten nicht jedem populistischen Vorschlag hinterherlaufen, aber auch alles nicht von vornherein ausschließen.
Also: ein klares Ja zur Asyl-Bezahlkarte? Von Ihnen?
Die Bezahlkarte ist keine humanitäre Zumutung, sondern ein Instrument neben anderen. Genauso sollten wir prüfen, wie wir schwere Straftäter aus Afghanistan und Syrien abschieben können. Und wenn sich zeigt, dass Grenzkontrollen wirksam sind, warum sollten wir sie dann nicht beibehalten?
Wäre es nicht sinnvoller, die Ampel in Berlin zu beenden, Fehler einzuräumen und neu um Vertrauen zu werben?
Ich bin nicht für Flucht vor der Verantwortung. Die Regierung ist auf vier Jahre vom Parlament gewählt. Aber wenn es mit den unsäglichen Streitereien so weitergeht, wird diese Regierung im nächsten Jahr keine neue Mehrheit bekommen. Vielleicht ist die FDP dann sogar erleichtert.
Ist Schwarz-Grün so tot, wie Markus Söder bei jeder Gelegenheit sagt?
Zu bayerischer Landespolitik sind andere sprechfähiger als ich, da halte ich mich aus Prinzip schon raus.
Er meint schon den Bund…
(lacht) Das habe ich schon verstanden. Sehen Sie: Söder muss man mit Humor nehmen, anders ist das nicht zu erklären. Eben hat er noch Bäume umarmt, jetzt sind die Grünen des Teufels. Das geht schon auffallend schnell bei ihm. Wir brauchen demokratische Kräfte, die miteinander im fairen Gespräch sein können. Die sich zusammenreißen und auch mal gemeinsam regieren können. Sonst haben wir irgendwann US-Verhältnisse. Parteien müssen Kompromisse schließen. In dieser Erkenntnis ist Friedrich Merz weiter als Markus Söder, weil er sich eben nicht nur fragt, ob er Kanzler werden will, sondern auch mit wem und für was. Denn machen wir uns mal bitte nichts vor: Selbst wenn es die Grünen nicht mehr gäbe, wären Herausforderungen wie Erderwärmung oder Erneuerung unserer Wirtschaft ja nicht weg.
Sie sehen Schnittmengen?
Ja. In der Frage der Ukraine-Unterstützung sehr viel zum Beispiel, Irrlichter wie Kretschmer mal ausgenommen. Oder bei der Versöhnung von Ökonomie und Ökologie, womit sich die jetzige Bundesregierung eher schwertut. Grün-Schwarz in Baden-Württemberg funktioniert ziemlich geräuschlos und verlässlich.
In Baden-Württemberg wollen Sie die Koalition fortführen – mit Ministerpräsident Cem Özdemir?
Ich traue ihm viel zu. Ich kenne ihn sehr gut, sehr lange – ein außergewöhnlicher Politiker, fachlich wie menschlich, und absolut integer. Er ist einer, der Orientierung geben kann. Das wäre ein starkes Angebot, die Entscheidung liegt bei ihm.
Sie werden bald noch mal Papa. Nimmt der moderne Minister Elternzeit?
Elternzeit, drei Monate das Handy aus – das kann ich leider nicht, im Herbst sind Haushaltsverhandlungen. Aber ich werde mir wieder unmittelbar nach der Geburt Familienzeit nehmen und weniger Termine machen. Ich habe zum Glück einen Ministerpräsidenten als Chef, der das mit seinem vollen schwäbischen Charme und als erfahrener Großvater voll unterstützt.