Biometrische Software auf einem Monitor im Landeskriminalamt. Darf das live auch funktionieren? © Hoppe/dpa
München – Was Kameras und Hightech-Software können, war in den letzten Wochen in Paris zu erahnen. Tausende Kameras überwachten die Stadt während der Olympischen Spiele. Im Hintergrund sollte Künstliche Intelligenz automatisch erkennen und Alarm schlagen, wenn Gerangel oder Feuer ausbricht, herrenlose Koffer herumstehen oder ein Geisterfahrer unterwegs ist. Eines könnte das Programm längst, durfte aber nicht: Gesichter automatisch erkennen.
Es ist für Datenschützer ein Albtraum, für Sicherheitspolitiker eine große Chance: Wo größere Menschenmengen unterwegs sind, könnten Kameras automatisch live die Gesichter mit Fahndungsdateien abgleichen und die Polizei in Marsch setzen. Technisch ist das möglich, regulatorisch von der EU erlaubt bei richterlicher Anordnung. Die innenpolitische Debatte dazu flammt nun allmählich auf. Die Ampel-Koalition hat sich nämlich gegen die Gesichtserkennung gestellt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will daran nicht rütteln. Sie will lediglich mehr Befugnisse zum biometrischen Internetabgleich von Bilddaten. Also: ein Foto einer Überwachungskamera nach einer Tat mit KI abgleichen mit Polizei-Datenbanken oder vielleicht veröffentlichten Bildern auf Facebook – kennen wir den Täter?
Schon das führt in der Koalition zu Aufregung. Die FDP argumentiert mit einem „Recht auf Anonymität im Internet“, darauf habe man sich doch im Koalitionsvertrag geeinigt. Grünen-Abgeordnete klagen, „dass hochsensible Daten unschuldiger Personen durch KI-Systeme massenhaft oft durch intransparente Algorithmen flächendeckend erfasst und ausgewertet“ würden. Die Polizei fände mehr Kompetenzen besser. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter mahnte, die Beamten dürften beim Fahnden nicht gezwungen werden, das Internet auszusparen – während parallel zum Beispiel Journalisten schneller Verdächtige ermitteln.
Das ist keine theoretische Konstruktion, sondern wurde Realität beim Fahnden nach der als RAF-Terroristin gesuchten Daniela Klette. Sie war im Februar festgenommen worden, nachdem sie jahrelang unerkannt in Berlin gelebt hatte. Ein Journalist hatte sie laut Medienberichten mit Gesichtserkennungssoftware schon Monate vorher ausfindig gemacht, weil sie private Fotos ins Netz gestellt hatte. Faeser reagiert wohl darauf.
Spannend ist nun: Bayern fordert viel weitergehende Kompetenzen, nämlich den Einstieg in die Live-Gesichtserkennung. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte unserer Zeitung, Faesers Idee sei „nur ein kleiner Fortschritt“, und vielleicht setze sie sich mit diesem „Minimalschritt“ noch nicht mal bei der FDP durch. „Andererseits klammert sie die Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum von vorneherein komplett aus“, obwohl die EU das für zulässig erklärt habe, klagt Herrmann. Diese „Vogel-Strauß-Methode“, nur um nicht noch mehr in der Ampel anzuecken, sei keine Lösung. „Ich fordere die Bundesregierung auf, die rechtlichen Möglichkeiten der biometrischen Gesichtserkennung für mehr Sicherheit in unserem Land komplett auszuschöpfen.“ Die Polizei brauche dringend biometrische Gesichtserkennung zur Fahndung.
Herrmann warnte vor „übertriebenem Datenschutz“, der am Ende Täter schütze – und erinnert an die Bedrohung durch „islamistischen Terror und internationale Verbrecherbanden“. Er stellt positive bayerische Daten entgegen. 4600 Mal habe das Landeskriminalamt letztes Jahr Bilder von unbekannten Tatverdächtigen mit dem bundesweiten Fahndungsbestand abgeglichen. In 1200 Fällen fand die Gesichtserkennungssoftware einen gespeicherten Datensatz von „polizeibekannten Personen“ dazu.
C. DEUTSCHLÄNDER