KOMMENTARE

Volle Aufklärung statt Achselzucken

von Redaktion

Pipeline-Anschlag in der Ostsee

Mit irritierender Gelassenheit reagiert die Bundesregierung auf die dramatischen Entwicklungen rund um die Nord-Stream-Pipeline. Von Tauchern gesprengt? Aha. Verdacht gegen Ukrainer? Soso. Verdächtiger ermittelt? Mhm. In die Ukraine entkommen? Nun ja. Ganz offenkundig ist die Berliner Nicht-Reaktion darauf bedacht, das Verhältnis mit Kiew nicht zu belasten. Das ist kurzfristig nachvollziehbar, aber es ist falsch und gefährlich. Hier geht es um einen Terrorakt gegen ein Element der deutschen Energieversorgung. Täter und Hintermänner müssen ermittelt und gefasst werden. Und, dringend: Der Verdacht muss (hoffentlich) restlos ausgeräumt werden, dass ukrainische Offizielle den Sprengstoff-Angriff in der Ostsee anordneten.

Die Deutschen sollten aus eigenem Interesse hier differenzieren. Die von Russland überfallene Ukraine braucht weiterhin unsere Solidarität, also vor allem militärische Unterstützung mit Waffen und Munition. Das ist keine primär romantische, pathetische oder emotionale Frage, sondern nach wie vor eine nüchterne Kalkulation unserer äußeren Sicherheit. Ukrainische Soldaten stoppen seit 2022 Putins Marsch nach Westen. Fällt das Land, folgen in wenigen Jahren Attacken auf weitere Staaten. Was die Ukrainer leisten und opfern, zehntausende Tote, Verwundete, Leid, Zerstörung, gerät auf deutschen Sofas und Schreibtischstühlen leichter in Vergessenheit als an den Frontlinien der Ostukraine und in den Luftschutzkellern von Kiew.

Den Pipeline-Fall kleinzureden, statt mit maximalem Druck auf Kiew (wollten die nicht in die EU?) Kooperation und Aufklärung zu erzwingen, schadet dieser Differenzierung. Schlimmer noch: Dann trifft das auf das diffuse, immer lautere Murren über mit Bürgergeld überversorgte und unterforderte Flüchtlinge in Deutschland, auf die Debatte um alimentierte Drückeberger vor der ukrainischen Wehrpflicht und generell abstrakte Kriegsmüdigkeit. All das gehört nicht logisch zusammen, aber wenn die Ampel diese Einzelfragen weiterhin achselzuckend abtut, vermengt sich das zu schleichendem Gift für die Ukraine-Solidarität. Das hilft niemandem. Christian.Deutschlaender@ovb.net

Artikel 6 von 11