Das Nord-Stream-2-Gasleck in der Nähe von Bornholm. © AFP
Gesucht: Tauchlehrer Wolodymyr Z. Er ging den Fahndern beim Grenzübertritt durch die Lappen.
München/Berlin – Einem Bericht des Wall Street Journal (WJS) zufolge soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines zunächst mündlich genehmigt haben. Das gaben mehrere Quellen gegenüber der Zeitung an. Später soll der US-Geheimdienst CIA von dem Vorhaben erfahren und Selenskyj aufgefordert haben, die Operation abzubrechen. Das habe dieser dann auch getan.
Allerdings soll der damalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, beschlossen haben, den Plan fortzusetzen. Im Mai 2022 sollen sich mehrere hochrangige ukrainische Militärs und Geschäftsleute getroffen haben. Dabei sei die Idee für den Anschlag auf die Ostsee-Pipelines entstanden. Angeblich sei dabei vereinbart worden, dass Geschäftsleute das Projekt finanzieren. Die Kosten für die Sprengung sollen bei 300000 Euro gelegen haben.
„Ich lache immer, wenn ich in den Medien Spekulationen über eine riesige Operation lese, an der Geheimdienste, U-Boote, Drohnen und Satelliten beteiligt sind“, wird ein ukrainischer Offizier zitiert, der an dem Komplott beteiligt gewesen sein will. „Das Ganze ist aus einer durchzechten Nacht und der eisernen Entschlossenheit einer Handvoll Leute entstanden, die den Mut hatten, ihr Leben für ihr Land zu riskieren.“
Die ukrainische Regierung weist eine Beteiligung am Sabotage-Akt weiter entschieden zurück. Es sei vielmehr sehr wahrscheinlich, dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei, sagte der Selenskyj-Berater Mychailo Podoljak.
An der Operation soll eine gemietete Yacht, die Andromeda, mit einer sechsköpfigen Besatzung beteiligt gewesen sein. Darunter ausgebildete zivile Taucher. Mehrere Sprengungen hatten die beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 beschädigt und unterbrochen. Die Explosionen wurden in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm registriert. Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der folgenden politischen Streitigkeiten noch nicht in Betrieb.
Am Mittwoch veröffentlichten ARD, SZ und Zeit eine Recherche, wonach der Generalbundesanwalt im Juni den ersten internationalen Haftbefehl im Rahmen der Nord-Stream-Ermittlungen erlassen hat. Gesucht wird seitdem Tauchlehrer Wolodymyr Z. aus der Ukraine, der damals mit seiner Familie in Warschau lebte.
Die Fahnder konnten den Hauptverdächtigten an seinem Wohnort allerdings nicht festnehmen – er war verschwunden. „Der Mann hat Anfang Juli die Grenze zwischen Polen und der Ukraine überquert“, sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft in Warschau. Möglich sei die Ausreise gewesen, weil von deutscher Seite kein Eintrag in das Schengen-Register erfolgt sei, in dem die mit Europäischem Haftbefehl Gesuchten geführt werden, sagte die Sprecherin weiter. Die Bundesanwaltschaft wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern.
Der Tauchlehrer sowie zwei weitere ukrainische Staatsangehörige – ein Mann und eine Frau – stünden nach Recherchen mehrerer Medien unter Tatverdacht. Den Berichten zufolge sollen sie an den Anschlägen direkt beteiligt gewesen sein. Die Informationen stützen sich demnach auch auf „Hinweise eines ausländischen Nachrichtendienstes“.
Keine Auswirkungen auf die Unterstützung
Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts zu dem Anschlag hätten keine Auswirkungen auf die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine, betonte der stellvertretende Regierungssprecher, Wolfgang Büchner, auf Nachfrage von Journalisten in Berlin am Mittwoch. Er sagte, „dass hier die Ermittlungen nach Recht und Gesetz geführt werden auch ohne Ansehen der Person und auch völlig unabhängig davon, zu welchem Ergebnis solche Ermittlungen führen“. Die Ermittlungen änderten „nichts an der Tatsache, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt“, fügte er hinzu.
(MIT DPA/AFP)