Künftige Partner im Osten? In Thüringen nähert sich das BSW allmählich der AfD an. © IMAGO
München – Mitten im Schlagabtausch, als in der TV-Runde des MDR die Thüringer Spitzenkandidaten miteinander diskutieren und streiten, sagt Katja Wolf die gefürchteten Worte: Sie könne sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen, so die BSW-Spitzenkandidatin – zwar nicht in einer gemeinsamen Koalition, aber bei einzelnen Initiativen. Die „Scheuklappen“ im Umgang mit der AfD seien „nicht mehr zeitgemäß“, meint Wolf – und hinterlässt damit viele Fragen. Der AfD-Experte Johannes Hillje erklärt, wie weit eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien gehen könnte.
Herr Hillje, das BSW will AfD-Initiativen durchwinken. Kommt jetzt der Höcke-Wagenknecht-Pakt?
Wir sehen beim BSW in Thüringen mittlerweile, dass aus der Abgrenzung zur AfD eher eine Annäherung geworden ist. Erinnern wir uns das Versprechen, das Sahra Wagenknecht ihren Wählern mit der Gründung ihrer Partei gemacht hat: Da ging es darum, ein seriöseres Angebot als die AfD zu machen und ihr damit die Stimmen abzujagen. Das hat in Thüringen ganz offensichtlich nicht geklappt. Die AfD ist immer noch so stark wie zu Jahresbeginn. Und nun sagt Katja Wolf, dass sie sich vorstellen kann, mit der AfD Gesetze durchzusetzen – das zeigt eine Widersprüchlichkeit im Auftreten des BSW.
Kann man Wagenknecht dann noch glauben, wenn sie sagt: keine Koalition mit der AfD?
Schwer zu sagen. Wenn sich das BSW offen für gemeinsame Mehrheitsbildungen mit der AfD zeigt, dann akzeptiert sie eine rechtsextreme Partei als legitimen demokratischen Partner. Das ist das Ziel der AfD. Warum sollte das BSW dann nicht auch eine AfD-Minderheitsregierung tolerieren? Interessant ist auch eine weitere Kehrtwende: 2019 fand Wagenknecht es falsch, dass sich Kemmerich mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten hat wählen lassen. Heute lässt man diese Option offen.
Was schließen wir daraus?
Wir können weder ausschließen, dass das BSW am Ende einen Ministerpräsidenten Höcke tolerieren wird – noch können wir uns sicher sein, dass sich das BSW nicht mit AfD-Stimmen das Amt sichert. Das BSW lässt sich bewusst alle Optionen offen. Sie ist eine Blackbox im Umgang mit der AfD – in Thüringen eine rechtsextreme Partei.
Bei welchen Themen könnten BSW und AfD zusammenarbeiten?
Innenpolitisch sind die beiden Parteien auf manchen Feldern kaum noch voneinander zu unterscheiden, vor allem beim Thema Migration. Auch im Ukraine-Krieg fahren BSW und AfD eine sehr ähnliche Linie: gegen die Unterstützung der Ukraine, gegen US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, Verständnis für Wladimir Putin. Drittes Thema ist die Klimapolitik: Beide Parteien sprechen sich gegen weitere Klimaschutz-Maßnahmen aus. Und dann gibt es noch viele kleinere Überschneidungen in den Wahlprogrammen. Etwa beim Gendern oder auch bei Digitalisierung von Schulen.
Das BSW argumentiert, dass die Brandmauer die AfD überhaupt erst erstarken lassen hat. Stimmt das?
Die AfD lässt sich nicht kurzfristig schwächen – dafür braucht es einen langen Atem. Die Brandmauer wirkt erst langfristig. Im Grunde kann die AfD erst an Beliebtheit verlieren, wenn die Wähler merken, dass ihre Stimme an die AfD verschenkt ist. Weil sie ihre Themen und Vorschläge nicht durchsetzen kann, weil keiner mit der Partei zusammenarbeiten will. Der Wähler muss merken, dass der AfD die politische Macht fehlt, und dieser Prozess dauert – mehrere Wahlen. Aber genau diese Ausdauer fehlt dem BSW.
Die Brandmauer bröckelt aber auch bei der CDU.
Auch Mario Voigt schließt nicht aus, dass er seine CDU von der AfD in einer Minderheitsregierung tolerieren lassen würde. Er hat zudem kürzlich angedeutet, dass es auch im nächsten Landtag Mehrheiten von CDU und AfD geben könnte, solange es um CDU-Themen geht. Auch da fehlt die Ausdauer im Kampf gegen den Rechtsextremismus.