KOMMENTARE

Die Reanimierung der Demokraten

von Redaktion

Vor dem Parteitag

Der heute in Chicago beginnende Nominierungsparteitag der US-Demokraten ist ein perfektes Beispiel dafür, wie kurz in der Politik die Zeitspanne zwischen einer depressiven und einer euphorischen Partei sein kann. Mit Joe Biden als Spitzenkandidat sahen die Demokraten fatalistisch dem Wahltag im November entgehen, mit Kamala Harris glaubt man wieder an einen Sieg gegen den Republikaner Donald Trump. Mancher vergleicht die Kamala-Harris-Kandidatur bereits mit dem Phänomen Barack Obama. Den altersschwachen und angreifbaren Biden durch massiven Druck der Parteispitze zu entsorgen hat sich ausgezahlt. Es war ein strategisch erstklassiges Manöver zur Reanimierung breiter Wählerschichten, und für Trump dürfte es deshalb eng werden.

Dem Absägen Bidens soll nun in Chicago ein weiteres Meisterstück der Hoffnungsträgerin Harris folgen: sich möglichst weit von der Politik des Biden/Harris-Teams im Weißen Haus zu distanzieren und sich neu zu erfinden – vor allem was die Wirtschaftspolitik angeht. Seit der Amtsübernahme stiegen die Preise für Konsumenten um rund 20 Prozent, die Inflationsrate betrug einmal sogar über neun Prozent. Nun haben die Strategen von Harris die in ihren Augen perfekte Lösung für die Misere gefunden: Unternehmen die Schuld zu geben, ihnen „Halsabschneiderei“ vorzuwerfen und erstmals in der US-Geschichte Preislimits für Verbrauchsgüter zu planen.

Das sind populistische Slogans, die beim kaum sachverständigen Wahlvolk gut ankommen könnten, aber realistisch gesehen nicht umsetzbar, im Kongress nicht durchdrückbar und mit der Wirtschafts-Realität nicht vereinbar sind. Doch die kuriose Idee mit Verfallsdatum muss nur zweierlei Zwecken dienen: Sie muss etwas Neues bieten, das es unter Biden nicht gab – und muss helfen, die Wahl zu gewinnen. Politik@ovb.net

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