Druck auf Netanjahu: Angehörige von Geiseln und ihre Unterstützer protestierten gegen die Regierung in Tel Aviv. © dpa
Tel Aviv/Kairo – Die Gespräche über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg treten auf der Stelle: Die Hamas lehnt die Vorschläge der letzten Runde der indirekten Verhandlungen mit Israel über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg ab. „Nachdem wir von den Vermittlern hörten, was bei der letzten Gesprächsrunde in Doha erörtert wurde, sind wir ein weiteres Mal davon überzeugt, dass (Israels Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu einer Einigung weiterhin Hindernisse in den Weg legt“, heißt es in einer Erklärung der islamistischen Organisation.
Es handelte sich um das erste Statement der Hamas seit der letzten Gesprächsrunde, die am Donnerstag und Freitag in der katarischen Hauptstadt Doha stattfand. Die Hamas nahm daran nicht teil, weswegen sie sich von den Vermittlern über die Ergebnisse informieren ließ. Israel und die Hamas haben bislang aber ohnehin nur indirekt verhandelt.
Die Hamas erklärte weiter, Netanjahu würde „neue Bedingungen und Forderungen stellen, um die Bemühungen der Vermittler zu torpedieren und den Krieg zu verlängern“. Bei den Gesprächen, die auch zur Freilassung von israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas führen sollen, vermitteln Ägypten, Katar und die USA.
Die neuen Vorschläge, so die Hamas, lägen mit den Bedingungen Netanjahus auf einer Linie und wichen von dem bereits im Mai von US-Präsident Joe Biden vorgelegten und von den Seiten akzeptierten Verhandlungsrahmen ab. Unter anderem werde die Hamas keine dauerhafte Truppenpräsenz Israels an strategischen Stellen des Gazastreifens akzeptieren, wie sie Netanjahu beharrlich fordert. Dabei geht es vor allem um den sogenannten Philadelphi-Korridor, einen schmalen Gebietsstreifen, der im Süden Gazas entlang der Grenze zu Ägypten verläuft. Israel vermutet, dass sich die Hamas über diese Grenze mit Waffen versorgt hat.
Die indirekten Gespräche sollen auf verschiedenen Ebenen weiterlaufen und in der zweiten Wochenhälfte in eine möglicherweise entscheidende Phase münden. In Israel traf indes US-Außenminister Antony Blinken ein, um heute Netanjahu zu treffen. Der israelische Regierungschef signalisierte bislang kein Einlenken.
Israelische Unterhändler äußerten sich hingegen nach dem Ende der ersten Gesprächsrunde „vorsichtig optimistisch“, dass der starke Druck auf die Hamas seitens der USA und der Vermittler dazu führen könne, dass sie ihren Widerstand gegen den US-Vorschlag aufgibt. Am Sonntag rief Netanjahu dazu auf, in den „komplexen“ Verhandlungen Druck auf die „starrsinnige“ Hamas auszuüben.
Nach israelischen Medienberichten soll eine Sitzung Netanjahus mit seinen Verhandlern am Sonntagmorgen äußerst stürmisch verlaufen sein. Die Unterhändler warnten eindringlich davor, dass ein Beharren auf dem Philadelphi-Korridor die angestrebte Vereinbarung zum Scheitern bringen würde. Der Premier ließ am Abend mitteilen, dass er weiterhin darauf beharre, „dass wir im Phialdelphi-Korridor bleiben, um zu verhindern, dass sich terroristische Elemente wieder bewaffnen“.
Unterdessen gehen die Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon weiter. Bei einem israelischen Luftangriff im Südlibanon gab es nach libanesischen Behördenangaben mindestens zehn Tote, darunter eine Frau und zwei Kinder. Als Reaktion feuerte die Hisbollah nach eigenen Angaben zahlreiche Raketen auf das Nachbarland ab. Aufgrund eines Mangels an Treibstoff wurde am Wochenende das letzte funktionsfähige Stromkraftwerk in Libanon vorerst abgeschaltet – im ganzen Land gab es keinen Strom mehr.
EMAD DRIMLY,
GREGOR MAYER