Ziemlich rot: Für die Bahn und ihre Kunden hat der Haushalts-Zoff der Koalition womöglich unangenehme Folgen. © Kirill Kudryavtsev/AFP
Berlin – Am Ende, sagt der Finanzminister, war halt nicht mehr drin. Es sei „eine Realität, dass es wechselseitig Grenzen gibt“, sagt Christian Lindner (FDP) bei einem Fernsehauftritt über den neuen Haushalt. „In der Koalition war nicht mehr möglich.“ Er habe immerhin Steuererhöhungen und ein Streichen der Schuldenbremse verhindert.
Was Lindner akzeptabel findet, sorgt bei Experten und in der Opposition für Ärger. Die mühsam errungene Ampel-Einigung zum Bundeshaushalt 2025 stößt seit Freitag auf deutliche Kritik. Für rechtlich riskant hält sie zum Beispiel der Münchner Staatsrechtler Stefan Korioth. Als „das größte Problem bei diesem Kompromiss“ sieht der Universitätsprofessor die hohe globale Minderausgabe an, also die Annahme, dass 12 Milliarden Euro zwar verplant, am Ende vielleicht aber doch nicht ausgegeben werden. Dieses Instrument sei zwar üblich, aber nicht in der Höhe, sagt er dem Berliner „Tagesspiegel“. „Daher stellt sich die Frage, ob hier nicht einfach eine Unterdeckung verschleiert werden soll.“ Bis 2021 hatte es das in Haushalten viele Jahre lang gar nicht gegeben.
Der neue Kompromiss vom Freitag sieht im Kern Umschichtungen von Geld für die bundeseigene Deutsche Bahn vor. Die Lücke wurde von 17 auf 12 Milliarden Euro gedrückt. Die Zeit für das Spitzentrio aus Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vize Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Lindner (FDP) drängte, weil der Bundestag vor der Haushaltswoche im September noch ausreichend Zeit haben soll, sich mit dem Zahlenwerk zu befassen. Die Abgeordneten beschließen den Haushalt am Ende.
Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) spricht von einem „Harakiri-Haushalt“. Die AfD-Chefin Alice Weidel nennt den Entwurf „komplett unseriös“. SPD-Fraktionsvize Achim Post räumt ein, für den Bundestag bleibe noch einiges zu tun. Seine Fraktion wolle „wie sonst auch in den parlamentarischen Beratungen möglichst noch weitere Verbesserungen erreichen“.
Ungemach droht der Koalition wegen eines neuen Finanzierungsmodells für die Deutsche Bahn, das für Konkurrenten höhere Trassenpreise und für deren Kunden höhere Fahrpreise nach sich ziehen könnte. Nach dem Kompromiss soll die Infrastruktursparte der Deutschen Bahn AG zusätzliches Eigenkapital von 4,5 Milliarden Euro bekommen. Das soll direkte Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt ersetzen. Trick: Der Eigenkapitalzuschuss wird nicht bei der Schuldenbremse angerechnet.
Außerdem soll die Bahn ein Darlehen des Bundes in Höhe von 3 Milliarden Euro erhalten. Mit dem Geld soll die Bahn Investitionen zur Sanierung des maroden Schienennetzes vornehmen. Mehr Eigenkapital für die Bahn kann aus Finanzierungsgründen steigende Trassenpreise bedeuten – also Gebühren für die Nutzung des Schienennetzes, eine Art Schienenmaut.
Staatsrechtler Korioth merkt an: „Die Bahn hat bekanntermaßen wirtschaftliche Schwierigkeiten, ist immer wieder defizitär, weshalb eine Rückzahlung des Darlehens nicht unbedingt einkalkuliert werden kann. Und bei einer im Kompromiss vereinbarten Laufzeit des Kredits von 34 Jahren stellt sich schon die Frage, ob die Rückzahlungsfähigkeit hier nicht doch auch in der Koalition bezweifelt wird.“ Nicht unüblich wären zehn bis zwölf Jahre. Auch CSU-Politiker Lange ist wenig zuversichtlich: „Die hoch verschuldete Bahn wird die Kredite nicht zurückzahlen können und die Eigenkapitalerhöhung wie schon diverse Male zuvor irgendwo im Konzern versenken.“
Die Allianz pro Schiene sieht das Finanzierungsmodell „ausgesprochen kritisch“, wie der Leiter Verkehrspolitik des Bahnverbandes, Andreas Geißler, betont. „Eigenkapitalerhöhungen anstelle der eigentlich üblichen Baukostenzuschüsse führen zu höheren Trassenpreisen, machen also in der Konsequenz die Nutzung der Schieneninfrastruktur für Eisenbahnverkehrsunternehmen und damit die Wirtschaft und Reisenden erheblich teurer.“ Der Güterbahnen-Verband, der rund 110 private, regionale und internationale Unternehmen vertritt, wurde noch deutlicher. Geschäftsführerin Neele Wesseln sprach von einem „schwarzen Freitag für die Eisenbahn in Deutschland“. Der Beschluss werde Millionen Verlierer haben. „Die desaströse Vereinbarung verschweigt die kostentreibenden Folgen für die Eisenbahnkunden im Personen- und Güterverkehr“, kritisierte Wesseln.