Netanjahu und seine Weltkarte: US-Außenminister Antony Blinken (l.) konnte den israelischen Ministerpräsidenten von einem Überbrückungsvorschlag überzeugen. © Chaim Zach/dpa
Tel Aviv – Es ist Antony Blinkens neunter Besuch in Israel seit Beginn des Gaza-Krieges. Der US-Außenminister will eine weitere Eskalation im Nahen Osten verhindern. Die jetzigen Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg könnten laut Blinken auch die letzte Chance für eine Freilassung der israelischen Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas sein.
Am Montagabend kommt dann eine gute Nachricht: Israel hat nach Angaben von US-Außenminister Blinken den jüngsten von den USA unterstützten Vorschlag über eine Waffenruhe in Gaza akzeptiert. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu habe ihm „bei einem sehr konstruktiven Treffen bestätigt, dass Israel den Vorschlag zur Überbrückung akzeptiert“, sagt Blinken. „Er unterstützt ihn. Nun liegt es an der Hamas, dasselbe zu tun.“
Blinken hatte zuvor rund drei Stunden lang mit Netanjahu verhandelt. Der vorliegende Überbrückungsvorschlag spiegelt den Inhalt des Waffenstillstandsabkommens wider, das US-Präsident Joe Biden im Mai vorgelegt hat. Demnach läuft der Prozess in Phasen ab: Eine erste Feuerpause über einen Zeitraum von sechs Wochen, in dem Geiseln freigelassen und Gefangene ausgetauscht werden, sowie Verhandlungen über die Bedingungen für einen dauerhaften Waffenstillstand.
In den kommenden Tagen müssten die Verhandlungsexperten zusammenkommen, um klare Vereinbarungen zur Umsetzung des Abkommens zu treffen, sagt Blinken. „Das sind immer noch komplexe Fragen, und sie werden schwierige Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs erfordern.“ Blinken bleibt bis Dienstag in der Region und will von Israel nach Ägypten weiterreisen.
Als besonders umstritten in den Verhandlungen gilt unter anderem die Frage, ob Israel sich wieder von der im Mai eroberten Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zurückziehen wird. Die Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels. Netanjahu dagegen verlangt, dass die israelische Armee den sogenannten Philadelphi-Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrolliert, etwa um den Schmuggel von Waffen zu verhindern.
Die Hoffnung auf eine schnelle Vereinbarung ist groß: „Je länger dies andauert, desto mehr Geiseln werden leiden, möglicherweise umkommen“, sagt Blinken. Die Hamas hat laut israelischen Angaben 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen 41 für tot erklärt wurden. Weitere Geiseln, deren Schicksal unbekannt ist, dürften nicht mehr leben.
Während Blinkens Besuch haben Hunderte Menschen vor seinem Hotel in Tel Aviv für einen Geisel-Deal demonstriert. Die Demonstranten forderten Blinken auf, Druck auf die Regierung von Netanjahu auszuüben. Die Angehörigen der Geiseln drängen nun alle Beteiligten dazu, ein Abkommen so bald wie möglich zu unterzeichnen. „Wir können es uns nicht leisten, diese kritische Gelegenheit zu verschenken, die die letzte Gelegenheit sein könnte“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. „Den Geiseln läuft die Zeit aus. Jetzt ist die Zeit für entschiedenes Handeln.“
Zu den internationalen Bemühungen um eine Einigung bei den indirekten Gesprächen zwischen Israel und der Hamas sagt Blinken: „Es ist Zeit, es zum Abschluss zu bringen.“ Es müsse verhindert werden, „dass der Konflikt in andere Regionen eskaliert und noch intensiver wird“. Man sei besorgt über mögliche Angriffe auf Israel aus dem Iran, vonseiten der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und von anderen.
Nach der Tötung zweier hochrangiger Feinde Israels in Teheran und Beirut vor knapp drei Wochen hatten der Iran und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah massive Vergeltungsschläge angedroht.
Ein versuchter Terroranschlag in Tel Aviv haben die Hamas und der Islamische Dschihad derweil für sich reklamierten. Im Rucksack eines Mannes war am Sonntagabend ein Sprengsatz explodiert, als dieser auf einer Straße im Süden der Stadt unterwegs war. Dabei wurden der Attentäter getötet und ein E-Scooterfahrer verletzt. Die Zeitung „Haaretz“ schrieb, die Polizei gehe davon aus, dass das Anschlagsziel eine nahegelegene Synagoge gewesen sei.
„Es kann jetzt bestätigt werden, dass es ein Terroranschlag war, bei dem ein mächtiger Sprengsatz explodierte“, hieß es laut Inlandsgeheimdienst. Ein Polizeisprecher sagte, hätte sich die Explosion nur wenige Meter weiter ereignet, „wären wir mit einer riesigen Katastrophe aufgewacht“.