INTERVIEW

China: „Neue Form des Kolonialismus“

von Redaktion

Pekings Marine baut ihre Präsenz in der Region stetig aus

Befehle von ganz oben: Chinas Staatschef Xi Jinping beim Besuch eines Marinestützpunkts. © dpa

München – Satellitenbilder zeigen, dass Chinas Marine ihre Präsenz in Asien ausbaut. Seit Ende 2023 ankern zwei Korvetten im Südwesten Kambodschas. Der kambodschanisch-amerikanische Politikwissenschaftler Sophal Ear von der Arizona State University sagt: „China betrachtet das Südchinesische Meer und ganz Südasien als seinen Hinterhof“.

Neben dem ostafrikanischen Dschibuti scheint China nun auch auf eine Marinebasis in Kambodscha Zugriff zu haben. Was steckt dahinter?

Auf den Satellitenbildern sieht man chinesische Schiffe an einem neu gebauten Pier. Die Schiffe sind dort monatelang und bewegen sich kaum. Die kambodschanische Regierung behauptet, sie habe nichts zu verbergen, wenn dann aber jemand Fragen zu den Schiffen stellt, wird sie ungehalten. Das ist schizophren. Gleichzeitig behauptet die Regierung, jedes andere Land könne die Basis nutzen. Außer China tut das aber niemand. Ich denke, in diesem Fall sind die Dinge so, wie sie scheinen. Die einfachste Erklärung ist die wahrscheinlichste.

Und zwar?

Es ist vielleicht keine dauerhafte Basis. Aber dass sie dort sind, vielleicht für Monate oder Jahre, ist offensichtlich. Wo sonst, außer in Dschibuti, liegen chinesische Schiffe derart lange?

Warum sollte die kambodschanische Regierung China erlauben, eine ihrer Marinebasen zu nutzen?

Anders als etwa im Südchinesischen Meer, wo sich China mit Gewalt Zugriff auf fremdes Territorium verschafft, wurden die Chinesen hier von Kambodscha eingeladen, die Basis zu nutzen. Für mich ist das eine neue Form des Kolonialismus: Man fällt nicht in ein anderes Land ein, um es zu übernehmen. Sondern man wird eingeladen, in das Land zu kommen, und übernimmt es dann. In diesem Fall bringt das Vorteile für beide Seiten – nicht unbedingt für die Menschen in Kambodscha, aber für die Anführer.

Was erhofft sich die Regierung in Phnom Penh von dem Deal mit China?

China stützt die Führung und stellt sich demonstrativ hinter das Regime. Dass Kambodschas Regierung gegen die Opposition vorgeht, dass sie Wahlen manipuliert, dass sie die Menschenrechte missachtet – all das ist Peking egal.

Warum ist die Basis für China so wichtig?

China besitzt die größte Marine der Welt. Deswegen braucht es Möglichkeiten, seine Schiffe aufzutanken, wenn sie weit weg sind von ihren Heimathäfen. Außerdem kann China von einer Basis wie in Kambodscha Militäroperationen starten. Schiffe können von dort auslaufen, möglicherweise eines Tages auch Flugzeuge starten.

China beansprucht einen Großteil des Südchinesischen Meeres für sich.

China betrachtet das Südchinesische Meer und ganz Südasien als seinen Hinterhof. So wie das die USA einst mit Lateinamerika getan haben: Das ist unser Einflussgebiet, und niemand sonst hat hier etwas zu suchen. Damit sind Länder wie die Philippinen, Vietnam, Malaysia oder Singapur natürlich überhaupt nicht einverstanden. Sie wollen nicht unter der Knute Pekings stehen.

Beschränken sich Chinas Ambitionen auf seinen „Hinterhof“?

Schwer zu sagen. Klar ist, dass Chinas Neue Seidenstraße große Teile der Welt umfasst, bis nach Lateinamerika. Und vor Kurzem erst wurden chinesische Kampfjets, zusammen mit russischen Flugzeugen, vor Alaska gesichtet. All das und noch viel mehr führt natürlich zu der Annahme, dass China als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt auch geopolitisch einen Platz anstrebt, der diesem Status entspricht. Das Problem dabei ist, dass sich China oftmals nicht an die Regeln hält, die sich die internationale Gemeinschaft gegeben hat. Peking will vielmehr seine eigenen Normen etablieren. Wozu das führen kann, sehen wir im Südchinesischen Meer, wo Peking die Ansprüche der anderen Anrainer schlichtweg ignoriert.

Interview: Sven Hauberg

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