Die Seelenruhe des Kanzlers hätte man gerne. Er betrachte sich nicht als „Übergangskanzler“, lässt Olaf Scholz den Wählern ungerührt ausrichten, nachdem ihn die grünen Koalitionspartner öffentlich angezählt haben. Von Einsicht, gar Selbstkritik keine Spur. Stattdessen beklagt er die „Miesepetrigkeit“ seiner Landsleute. Doch kommt es in Demokratien nicht darauf an, wie Amtsträger sich selbst sehen. Das Urteil fällt der Souverän, in diesem Fall die Wähler in Sachsen und Thüringen. Dort steht am 1. September die Bilanz des Kanzlers zur Abstimmung. Das Ergebnis verspricht eine Abrechnung, die das Land fundamental erschüttern dürfte, weil es Links- und Rechtspopulisten erstmals in die Nähe möglicher Regierungsmehrheiten führen wird.
Für diese Bilanz wird die Ampel diesmal nicht mehr Angela Merkel oder die Zeitenwende verantwortlich machen können. SPD, Grüne und FDP haben drei Jahre lang in einer Weise am Wählerwillen vorbeiregiert, dass der (Cannabis-)Rauch aufstieg: Die Regierung hat das Land mit dem Bürgergeld gespalten, es mit seiner Migrationspolitik an die Grenze seiner Belastbarkeit geführt und mit seiner überzogenen Klimapolitik eine Deindustrialisierung ausgelöst, deren Folgen erst in Konturen erkennbar werden. Wenigstens an der Börse ist der beispiellose Absturz von Automobil-Ikonen wie Volkswagen und Co. bereits für jedermann sichtbar. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass jeder, der will, sein Geschlecht nun jährlich neu bestimmen darf.
Mit dem Abrücken von den Ukrainehilfen hinterlässt Scholz jetzt auch noch außenpolitisch einen Scherbenhaufen. Der Kanzler weicht damit vor AfD und BSW zurück. Beide wollen ihre Wahlerfolge im Osten nutzen, um mithilfe der neuen Landesregierungen die Achse der Bundesrepublik zu verschieben. Diese soll langfristig aus ihrer Westbindung, sprich von der Seite der USA und der Nato gelöst werden. Sahra Wagenknecht kündigt an, keiner Regierung beizutreten, die sich nicht auf ein Nein zu Ukrainehilfen und zur Aufstellung neuer US-Verteidigungssysteme festlegt. Erst wenn der Übergangskanzler zur Seite tritt, wird eine neue Regierung mit einer besseren Politik die Chance haben, den Siegeszug der Linken und Rechten mit ihren riskanten Ideen aufzuhalten. Georg.Anastasiadis@ovb.net