Corona-Lage: Vorwürfe gegen Lauterbach

von Redaktion

Die Pandemie ist vorbei – der politische Streit um das Geschehene nicht. Bundestagsvize Wolfgang Kubicki wirft Gesundheitsminister Karl Lauterbach anhand veröffentlichter Dokumente vor, politisch Einfluss auf das RKI genommen zu haben. Auch die CSU macht Druck.

Pandemie-Zeiten: Lauterbach und Kubicki bei der Unterzeichnung des Ampel-Koalitionsvertrags 2021. © SZ-Photo/Archiv

München – Besonders gute Freunde waren Wolfgang Kubicki und Karl Lauterbach noch nie. Unvergessen, wie FDP-Mann Kubicki zu Corona-Zeiten im September 2021 erzählte, in seiner Stammkneipe nenne man den dauermahnenden SPD-Gesundheitsexperten einen „Spacken“. Heute ist Lauterbach Ampel-Gesundheitsminister und Kubicki Bundestagsvizepräsident. Und die Pandemie steht noch immer zwischen ihnen. Denn nachdem zuletzt ungeschwärzte Dokumente über die Sitzungen des Corona-Krisenstabs beim Robert-Koch-Institut (RKI) öffentlich wurden, fordert Kubicki persönliche Konsequenzen von Lauterbach. „Einen Minister, der die Öffentlichkeit und das Parlament falsch unterrichtet, kann ich parlamentarisch nicht weiter unterstützen“, erklärt Kubicki.

Zum Hintergrund: In Kubickis Augen belegen die Dokumente, dass Lauterbachs Ministerium Anfang 2022 politischen Einfluss auf die Einschätzung des RKI genommen habe, als es darum ging, ob die Corona-Risikobewertung gesenkt werden könne. So sei den veröffentlichten Protokollen zu entnehmen, eine Reduzierung des Risikos sei vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) abgelehnt worden, weil sie als Deeskalationssignal interpretiert werden könne, berichtete auch die „Bild“.

Hat Lauterbach die Pandemie also zeitweise gefährlicher dargestellt, als sie es in Wahrheit noch war? „Nein“, sagt der Gesundheitsminister der „Funke“-Mediengruppe. Im Februar 2022 sei man in einer Phase gewesen, in der teilweise noch hunderte Menschen pro Tag an Corona gestorben seien. „In einer solchen Lage kann man nicht das Risiko herabstufen“, verteidigt sich Lauterbach. Denn: „Die politische Verantwortung trägt am Ende immer das Bundesgesundheitsministerium.“ Der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger hat in der Folge offiziell bei Lauterbachs Ministerium nachgefragt. Die Antwort liegt unserer Zeitung vor. „Aufgrund der sehr dynamischen Entwicklung und der Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems entschied das BMG deshalb gemeinsam mit dem RKI, die Risikobewertung für die Gesundheit der Bevölkerung Ende Februar 2022 beizubehalten“, heißt es darin.

Kubicki überzeugt das nicht. „Es gab keine gemeinsame Entscheidung, denn die Entscheidung zur Nicht-Herabstufung der Risikobewertung traf laut RKI-Protokollen das Ministerium unabhängig von der Expertise des RKI“, hält er dagegen. Auch Pilsinger kommt zu dem Schluss: „Nun hat die Bundesregierung erstmals eingeräumt, dass die Einschätzung nicht nur fachlich durch das RKI, sondern auch politisch durch das BMG getroffen wurde.“ Pilsinger – der in früheren Phasen der Pandemie selbst zu äußerster Vorsicht bei Lockerungen gemahnt hat – hat Lauterbach zudem aufgefordert, die Geschehnisse von 2022 transparent darzulegen. „Wie Lauterbachs Anweisungen konkret lauteten, verschweigt das Ministerium immer noch. Das erweckt nicht gerade den Eindruck, als gäbe es nichts zu vertuschen“, sagt der Münchner Abgeordnete unserer Zeitung.

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