Klare Ansagen – nach außen und innen: Sahra Wagenknechts Machtanspruch ist auch innerhalb der BSW ein sensibles Thema. © dpa/Nietfeld
München – Vieles mag vor den beiden ostdeutschen Landtagswahlen in neun Tagen noch unklar sein, aber in einem Punkt hat sich Sahra Wagenknecht bereits festgelegt. Den Wahlabend wird sie in Erfurt verbringen. Eine Überraschung ist das nicht, in Thüringen sind die Aussichten ihres Bündnisses vielversprechend, aber es ist auch ein Fingerzeig. Sollte das BSW seinen bisher größten Erfolg feiern und eine Regierungsbeteiligung winken, wird sich die Chefin, die selber nicht kandidiert, mit nicht weniger als der Hauptrolle begnügen.
Ernsthafte Zweifel daran gab es ohnehin nicht. Das BSW ist auf Wagenknecht zugeschnitten, alle wichtigen Personalien gehen über ihren Schreibtisch. Der Einfluss reicht aber weit über die organisatorische Ebene hinaus, wie sie nun dem „Spiegel“ erklärte. Wenn in Sachsen und Thüringen über Koalitionen verhandelt werde, werde sie mit am Tisch sitzen. Die Parteizentrale werde „diese Gespräche in enger Abstimmung mit unseren Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten führen, natürlich werde ich mich auch persönlich einbringen“.
Üblich ist das nicht. In der Regel sind Verhandlungen Sache der Landesverbände, die Zentrale ist höchstens im Hintergrund involviert. Bei Wagenknecht klingt es genau umgekehrt. Die Chefin, die bei ihren Wahlkampfauftritten einen „Neuanfang mit spürbaren Verbesserungen“ für alle Bürger verspricht, scheint den Vertretern nur bedingt zuzutrauen, die Interessen der Partei mit dem nötigen Nachdruck zu vertreten.
Bei den potenziellen Verhandlungspartnern kommt die Ansage erwartungsgemäß nicht gut an. Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt zeigt sich zwar weiterhin offen für Koalitionsgespräche mit dem BSW – aber mit einer entscheidenden Einschränkung. „Solange Sahra Wagenknecht aus dem Saarland heraus die Ansagen für Thüringen macht, haben wir mit dem BSW keine Gesprächsgrundlage“, sagte er dem Sender n-tv.
Ähnlich, nur noch ein bisschen drastischer, klingt die Absage aus Sachsen. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer spottet in Richtung Wagenknecht: „Die Zeiten vom Politbüro sind vorbei, wo jemand in Berlin entscheiden konnte, was vor Ort passiert.“ Die BSW-Chefin habe „ein seltenes Talent, Dinge zu zerstören. Richtig etwas aufzubauen, ist ihr noch nie gelungen.“ So sei es auch diesmal. „Diese Demütigung der eigenen Mitglieder vor Ort, das ist wirklich furchtbar.“
Die jüngsten Umfragen räumen den sächsischen Christdemokraten zumindest die Möglichkeit ein, auch ohne BSW eine Mehrheit gegen die AfD zusammenzubekommen. In Thüringen hingegen wird kein Weg an dem Bündnis und seiner Spitzenkandidatin Katja Wolf vorbeiführen. Voigt schätzt sie als „pragmatische Kommunalpolitikerin“ und sagt, er setze sich „gern mit Frau Wolf an den Tisch, um über die Thüringer Themen und die Lösungen dafür zu diskutieren“. Das ist gleich eine doppelte Spitze gegen Wagenknecht. Voigt zielt auf ihren außenpolitisch dominierten Wahlkampf ab (Ukraine) und unterstellt ihr gleichzeitig, mit maximalen Forderungen die Verhandlungspartner vor sich her treiben zu wollen.
Die Sondierungen in Thüringen dürften spannend werden, auch weil es zwischen Wolf und Wagenknecht zu knistern beginnt. Die frühere Eisenacher Oberbürgermeisterin hat dem „Tagesspiegel“ gerade ein bemerkenswertes Interview gegeben, in dem sie nicht nur ihre Abneigung gegen „Personenkult“ betont, wie er nirgendwo besser zu beobachten ist als im BSW. Wolf bekannte auch freimütig, „kein Zentralkomitee“ in ihrer Partei zu wollen, ohne dessen Zustimmung nichts gehe. Dass sie zudem ankündigte, in fünf Jahren werde die Partei „anders heißen“, deckt sich zwar mit früheren Aussagen Wagenknechts. Dennoch macht auch diese Bemerkung den Eindruck, als wolle Wolf auf keinen Fall wie eine Marionette ihrer Vorsitzenden wahrgenommen werden.
In der CDU wird gemutmaßt, Wagenknecht gehe es gar nicht um die einzelnen Länder. Womöglich sei nicht mal eine Regierungsbeteiligung das Ziel, sondern im Gegenteil ein spektakuläres Scheitern der Gespräche. Dennoch heißt es aus der Parteizentrale, die Entscheidung über den Umgang mit dem BSW falle selbstverständlich auf Landesebene.