Gerne – und oft zu Recht – lamentieren die Deutschen derzeit über ihre Regierung. Doch manches relativiert sich, wenn man den Blick nach Frankreich richtet. Jenes Land, das sich noch vor Kurzem während der Olympischen Spiele zwei Wochen lang selbst feierte und nun auch die Paralympics veranstaltet. Die Party ist vorbei, die gute Laune zumindest politisch verflogen. Quasi täglich führt Präsident Emmanuel Macron inzwischen Gespräche. Doch die Suche des 46-Jährigen nach einer neuen Regierung wirkt zunehmend verzweifelt.
Noch immer geriert sich der Meister der großen Geste dabei, als sei er es, der Frankreich vor der Unregierbarkeit bewahrt. Dabei hat Macron die Krise selbst ausgelöst, als er nach der Europawahl ohne Not Neuwahlen ausrief. Der Präsident verzockte sich, die politische Mitte kollabierte. Der Sieg der Rechtsnationalen wurde im zweiten Wahlgang nur dank des Wahlrechts und einer Allianz mit zumindest in Teilen radikalen Linken verhindert. Jetzt hat keines der Lager eine Mehrheit. Einen Regierungschef der siegreichen Linken lehnt der Präsident ab. Er spricht über Stabilität, hat das Chaos aber selbst verursacht.
Europa bräuchte in diesen Zeiten dringend eine starke Achse Paris–Berlin. Stattdessen erschöpfen sich beide Hauptstädte im innenpolitischen Klein-Klein. Dem eigenen Anspruch, ein großer europäischer Anführer und Reformer zu sein, wird Macron jedenfalls längst nicht mehr gerecht. Mike.Schier@ovb.net