Ost-Wahlen: Warten auf den großen Knall

von Redaktion

Weit vorne in Thüringen: AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung hinter einer Deutschlandfahne mit dem Eisernen Kreuz – er führt in den Umfragen, hat aber keinen Koalitionspartner. © Hannes P. Albert/dpa

Jena/München – Sahra Wagenknecht ist in ihre Heimatstadt Jena gekommen. Weniger als eine Woche vor der Thüringen-Wahl will die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Wähler mobilisieren. Auf der Bühne am Festplatz Jena-Lobeda spricht Wagenknecht dazu vor allem über Bundespolitik, will „die unsägliche Ampel in die Rente schicken“ und kritisiert die Ukraine-Hilfen der Bundesregierung.

Auch den Terror von Solingen greift Wagenknecht auf: „Ein Großteil der Menschen wünscht sich, dass irreguläre Migration gestoppt wird“, sagt die 55-Jährige und ergänzt mit Blick auf die Einwanderungspolitik ihrer Partei: „Wir wollen eine Kehrtwende vollziehen.“ Was das konkret bedeutet, erklärt sie nach der Veranstaltung unserer Zeitung. Die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz nach einem Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan unterstützt sie. „Ich halte das bezogen auf Deutschland für richtig“, sagt sie. Das heiße nicht, „dass es keine Asylverfahren mehr für Menschen aus dieser Region gibt“. Doch: „Es kann nicht dabei bleiben, dass wir jedes Jahr Menschen aufnehmen, von denen der größte Teil überhaupt keinen Asylanspruch hat – und trotzdem bei uns im Land bleibt.“

Es ist die heiße letzte Wahlkampf-Phase in Sachsen und Thüringen – und Migration das beherrschende Thema. In beiden Ländern wird am Sonntag gewählt, in beiden Ländern liegt die AfD laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa in Führung. Den Ampel-Parteien droht hingegen ein für eine Regierungskoalition historisches Debakel. Die Kanzler-Partei SPD könnte sowohl in Sachsen als auch in Thüringen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Für Grüne und FDP wird es sowieso eng.

Im Detail sieht es so aus: In Sachsen erreicht die AfD mit ihrem überregional wenig bekannten Spitzenkandidaten Jörg Urban laut der Umfrage 32 Prozent und liegt damit vor der CDU mit 30 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt demnach auf 15 Prozent, die SPD auf sechs Prozent und die Grünen auf fünf Prozent. Die Linke wäre der Umfrage zufolge mit vier Prozent nicht mehr im Dresdner Landtag vertreten.

Aus München kommt Schützenhilfe für den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer – der bisher mit SPD und Grünen regiert – im Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD. „Es macht nur Sinn, die Union zu wählen“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Dresden. Kretschmer brauche am Sonntag ein Votum, dass er in einer Koalition „dem ein oder anderen Irregeleiteten“ stärker sagen kann, wo es langgeht, sagt der CSU-Chef. Auch Merz ist zur Unterstützung gekommen.

Die CDU erhebt Regierungsanspruch, schließt ein Bündnis mit der AfD aber kategorisch aus. Das könnte die Regierungsbildung in Sachsen enorm schwierig machen, zumal angesichts der knappen Umfragen viele Konstellationen möglich sind. Von einem Drei-Fraktionen-Parlament aus CDU, AfD und BSW bis hin zu einem Parlament mit sieben Fraktionen, in dem dann auch SPD, Linke, Grüne und Freie Wähler vertreten wären, ist alles denkbar.

In Thüringen liegt die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke der Umfrage zufolge mit 30 Prozent weiterhin klar in Führung. Knapp hinter der CDU mit 21 Prozent folgt das BSW mit 20 Prozent. Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow erreicht den Angaben zufolge 14 Prozent und die SPD sechs Prozent. Grüne und FDP wären mit jeweils drei Prozent nicht mehr im Thüringer Landtag vertreten. Rechnerisch wäre damit keine Mehrheitsregierung ohne Einbindung von AfD oder BSW möglich. Dass keine der anderen Parteien mit der AfD zusammenarbeiten will, bedeutet zwar Koalitionsunfähigkeit, ficht Höcke aber nicht an. „Wir wollen regieren“, sagt der 52-jährige Rechtsaußen. Mit gut einem Drittel der Sitze könnte die AfD auch andernfalls im Landtag nicht nur die Wahl von Richtern blockieren.

Viele Regierungsoptionen gibt es den Umfragen nach in Thüringen ohnehin nicht. Rein rechnerisch könnte es zu einem noch nie dagewesenen Modell kommen. CDU-Spitzenkandidat Voigt müsste dafür mit der Ex-Linken Katja Wolf vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anbandeln und SPD-Chef und Innenminister Georg Maier in das Bündnis holen. Ganz eng wird die Regierungsbildung, sollte Wolf mit dem BSW doch an der CDU vorbeiziehen.

Klar scheint: Die Wahlen im Osten werden nicht nur die Ampel, sondern das ganze deutsche Parteiensystem einmal kräftig durchschütteln. Und drei Wochen später droht in Brandenburg noch einmal ein ähnliches Szenario.

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