München – Keine Syrer und Afghanen mehr ins Land lassen, mehr Abschiebe-Arrest – und eine „nationale Notlage“ ausrufen, um illegale Migranten an den Grenzen zurückweisen zu können: Mit diesen Forderungen setzt CDU-Chef Friedrich Merz die Ampel unter Druck. Doch den Forderungen stehen nicht nur politische Widerstände der Grünen, der FDP und der SPD entgegen, sondern das Grundgesetz, das Völkerrecht sowie Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs.
In Sachen Einreise-Stopp rudert Merz selbst zurück. Auf Nachfragen auch aus der CDU, wie das angesichts des nur durch Zwei-Drittel-Mehrheit veränderbaren Grundrechts auf Asyl rechtlich möglich sein soll, spricht Merz jetzt nur noch von einem „faktischen Aufnahmestopp“, zu dem seine Vorschläge führen würden. „Eine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz fordern wir nicht“, heißt es in einem Papier, das Merz an die Mitglieder des Bundesvorstands seiner Partei nach seinem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) verschicken ließ.
Die CDU argumentiert, nur eine sehr geringe Anzahl an Personen aus Syrien und Afghanistan sei asylberechtigt im Sinne von Grundgesetz-Artikel 16a, in dem es heißt: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ 2023 sei „nur 120 Syrern und 523 Afghanen der Asylstatus gemäß Art. 16a Grundgesetz zuerkannt“ worden.
Fakt ist aber auch: Bis über den Asylstatus entschieden ist, dürfen auch Syrer und Afghanen im Land bleiben. Woran gedreht werden könnte, ist allerdings der „subsidiäre Schutz“, der Syrern und Afghanen nach Ablehnung des Asylrechts in der Regel zugestanden wird, mit dem Argument, in ihrem Herkunftsland drohe Gefahr für das eigene Leben durch Krieg und Terror.
Zudem fordert die Union, das freiwillige „Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ (BAP) zu stoppen. „Diese freiwilligen Aufnahmeprogramme können durch die Bundesregierung auch ohne Beschluss des Bundestags sofort eingestellt werden“, argumentiert die CDU-Spitze.
„Nach einer gescheiterten Rückführung sollten die Menschen unserer Ansicht nach schnell in Abschiebehaft kommen“, fordert der Vorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Andreas Roßkopf. Doch ein Problem dabei ist, dass es in ganz Deutschland nur 14 Abschiebegefängnisse gibt. Laut europäischer Rückführungsrichtlinie darf Abschiebehaft nicht in Strafvollzugsanstalten, also gemeinsam mit Strafgefangenen, vollstreckt werden, erklärt Christine Graebsch, Professorin für Recht der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Dortmund. Das Bundeskabinett hat bereits Anfang 2024 die Abschieberegeln verschärft. Nun können Menschen zum Beispiel nicht mehr nur zehn, sondern 28 Tage lang in Gewahrsam genommen werden.
Besonders umstritten ist die Merz-Forderung, eine „nationale Notlage“ auszurufen. Dabei beruft er sich auf eine in den EU-Verträgen festgelegte Möglichkeit, um Gesetzesänderungen in Deutschland auch gegen geltendes EU-Recht zu verabschieden. Eigentlich sind solche „Notlagen“ für Pandemien, Naturkatastrophen oder Kriege gedacht. Merz will aber durch die Ausrufung der Notlage die sogenannten Dublin-Regelung aushebeln, um Menschen direkt an der deutschen Grenze zurückweisen zu können.
Rechtsexperten wie der Oldenburger Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler halten das für eine „zumindest kurzfristig sinnvolle Maßnahme“. Deutschland könne so die Flüchtlingszahlen begrenzen und gleichzeitig Druck innerhalb der EU ausüben, ein funktionierendes Verteilungssystem zu schaffen. Auch der Europarechtler Daniel Thym von der Uni Konstanz hält Abweichungen von EU-Regeln für möglich, verweist aber auch auf ein „hohes Prozessrisiko“ vor dem Europäischen Gerichtshof.
KLAUS RIMPEL