Endspiel für Friedrich Merz

von Redaktion

Unterschiedliche Gemütslage: Michael Kretschmer (Mi.) scheint begeistert von Friedrich Merz. Markus Söder wirkt dagegen skeptisch. Eine Szene aus dem Sachsen-Wahlkampf. © dpa

München – Olaf Scholz hat offenbar ein wenig Bedenkzeit gebraucht: Am Dienstagmorgen hatte ihm CDU-Chef Friedrich Merz bei einem persönlichen Treffen im Kanzleramt die Zusammenarbeit beim Thema Asyl angeboten. Scholz regierte zurückhaltend. Tags darauf aber hat es sich der Kanzler anders überlegt. „Wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagt er nun, um dann sehr scholzig die Funktionärsträger aufzuzählen, mit denen sich seine Regierung an einen Tisch setzen will. Namen und Parteien nennt er nicht. Doch zumindest die CDU-Politiker Friedrich Merz (Fraktionschef) und Boris Rhein (Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz) dürften dabei sein.

Für Merz ist das ein schöner Erfolg. Der CDU-Chef sieht offenbar seinen Moment gekommen. Das Thema Migration ist ihm persönlich wichtig, er überlässt es nicht mehr der zweiten Reihe der Spahns und Linnemanns: „Es reicht“, spricht der Vorsitzende. Eine klare Linie, die ganz nebenbei mit der alten Merkel-Politik bricht („Wir sind an der Lage nicht unschuldig“). Bemerkenswert: Keiner in der CDU widerspricht. Klar, kurz vor dem Wahltag in Ostdeutschland wagt das keiner. „Aber nun hat er die Partei auf einen klaren Kurs gezwungen“, sagt ein Unionsstratege. Das kann für Merz auch in der K-Frage wichtig werden. Denn es hieß immer: CDU und CSU entscheiden ab September. Und Merz beherrscht die Schlagzeilen.

Nein, beteuern sie alle in der Union. Es gebe keinen fixen Zeitplan für die Klärung der K-Frage. Aber offiziell gibt es ja auch keinen Wettstreit zwischen Merz und Söder. Inoffiziell ist die Lage seit Monaten unverändert: Merz sieht wie der sichere Kandidat aus, doch Politfuchs Söder hält sich bereit. Man weiß ja nie, in der Politik geht es manchmal schnell. Der Tag X rückt näher. Will Merz das Rennen nicht auf den letzten Metern verlieren, darf er a) Söder nicht das Feld in den aktuellen Migrations- und Sicherheitsfragen überlassen und muss b) mit der CDU im Osten halbwegs ordentliche Ergebnisse einfahren. Auch deshalb legte Merz vergangenen Sonntag seinen knallharten Asyl-Plan vor, noch bevor Söder abends im ARD-Sommerinterview den Ton setzen konnte.

Der Zufall wollte es auch, dass am Dienstag ein schon länger vereinbarter Termin im Kanzleramt im Kalender stand. Persönliches Gespräch mit Olaf Scholz. Viel besser ging es für Merz nicht: Augenhöhe mit dem Regierungschef. In jenem Büro, das künftig seines werden soll. Flugs rief Merz für den Nachmittag zur Pressekonferenz. Während alle irgendwo tief im Osten Wahlkampf betrieben, begleitet von Buhrufen und Polizeischutz, gehörte dem Oppositionsführer die Bühne in der Hauptstadt. Und der CDU-Chef lieferte Schlagzeilen: „Dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land.“ Dass er dann auch noch über einen „nationalen Notstand“ sprach, fanden aber selbst in den eigenen Reihen manche übertrieben.

Die Entscheidung in der K-Frage sei noch nicht gefallen, heißt es unter Skeptikern wie Freunden von Friedrich Merz. Bis zur Wahl in Brandenburg am 22. September passiert gar nichts. Danach will man ein Szenario wie 2021 – Söder gegen Armin Laschet – unbedingt vermeiden. Doch zumindest teilweise gibt es Parallelen: Laschet genoss zwar Unterstützung in der Parteispitze, an der Basis aber herrschten Zweifel an seiner Kandidatur. Letztlich drückte vor allem Wolfgang Schäuble Laschet als Kandidaten durch.

Vier Jahre später steht Merz unionsintern zwar stabiler da, auch der Vorsprung gegenüber der Konkurrenz ist größer. Aber auch für ihn bleiben die Umfragen unerfreulich. Im ARD-Deutschlandtrend (Infratest dimap) vor zwei Wochen lag Söder in der K-Frage mit 38 Prozent knapp vor NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, aber sehr klar vor Merz (27). Unter den Unionsanhängern war der Abstand sogar noch größer.

„Nach den Wahlen wird die CDU sehr stark mit sich selbst beschäftigt sein“, sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, voraus. „Die CDU-Landesverbände und die CDU-Bundesspitze werden das Thema haben: Wie gehen wir mit der AfD um?“ Für Merz bringt das viele unangenehme Fragen. Söder wird das aufmerksam verfolgen.

Artikel 1 von 11