Israelische Soldaten bei einem Einsatz im Flüchtlingscamp Nur Shams nahe der Stadt Tulkarem. © Ashtiyeh/AFP
Tel Aviv/Gaza – Israel hat einen groß angelegten Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland gestartet, bei dem nach offiziellen palästinensischen Angaben bisher mindestens neun Menschen getötet worden sind. Die Armee drang nach eigenen Angaben in der Nacht in mehrere Orte ein, darunter Tulkarem und Dschenin.
Nach Medienberichten setzte das Militär neben zahlreichen Infanteristen auch Drohnen und Scharfschützen ein, zerstörte Infrastruktur mit Bulldozern und sperrte sämtliche Zufahrtswege nach Dschenin. Es sei zu Feuergefechten mit bewaffneten Palästinensern gekommen. Mehrere gesuchte Palästinenser seien festgenommen worden.
Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums im Westjordanland wurden in Tubas – ebenfalls im nördlichen Westjordanland – sieben Tote in ein Krankenhaus gebracht. Außerdem bestätigte das Ministerium zwei Tote in Dschenin.
Israelischen und palästinensischen Medien zufolge umstellten die Einsatzkräfte auch Krankenhäuser in beiden Städten und blockierten Krankenwagen. Die Armee kontrolliere den Zutritt zu den Klinikgebäuden, um zu verhindern, dass sich Militante dort verschanzen, sagte ein israelischer Armeesprecher.
Hintergrund des Einsatzes sei eine zuletzt deutlich gestiegene Anzahl von Anschlägen auf Israelis, die im nördlichen Westjordanland ihren Ursprung gehabt hätten, sagte der Sprecher. Er verwies dabei auch auf die jüngste Explosion eines Sprengsatzes in Tel Aviv, bei dem der Attentäter getötet und ein Passant verletzt worden waren.
Die Bundesregierung zeigt sich beunruhigt. „Wir sind sehr besorgt angesichts der Lage im Westjordanland“, hieß es im Auswärtigen Amt. Israel sei im Westjordanland „eine Besatzungsmacht“ und sei damit für Recht und Ordnung, aber auch für das Wohl der dort lebenden Palästinenser verantwortlich.
Das israelische Militär räumte nach dem gewaltsamen Angriff militanter jüdischer Siedler auf ein Dorf im Westjordanland vor zwei Wochen Versäumnisse ein. „Es handelt sich um einen sehr schwerwiegenden terroristischen Vorfall, bei dem die Israelis den Bewohnern der Stadt Dschit vorsätzlich Schaden zufügen wollten, und wir haben versagt, weil es uns nicht gelungen ist, früher einzutreffen, um sie zu schützen“, sagte der Chef des für das Westjordanland zuständigen Zentralkommandos der israelischen Armee, Avi Bluth. Bei dem Angriff war ein 23-jähriger Palästinenser durch Schüsse ums Leben gekommen, ein weiterer wurde schwer verletzt. Die Siedler steckten Häuser und Autos in Brand.
Die USA erließen gestern Sanktionen gegen weitere israelische Siedler im Westjordanland – und forderten Israel dazu auf, „Extremisten“ zur Rechenschaft zu ziehen. „Die Gewalt extremistischer Siedler im Westjordanland verursacht großes menschliches Leid, schadet Israels Sicherheit und untergräbt die Aussicht auf Frieden und Stabilität in der Region“, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller.
Die neuen Sanktionen zielen den Angaben zufolge insbesondere auf die israelische Nichtregierungsorganisation Hashomer Yosh ab. Sie unterstützt laut ihrer Website „zahlreiche Bauern in Judäa und Samaria“, die „mutig unser Land schützen“. Judäa und Samaria ist der biblische Name für das von Israel besetzte Westjordanland.