Oppositionsführer Friedrich Merz ist, auch das macht das Duell um die Macht in Deutschland so reizvoll, die personifizierte Antithese zum Kanzler: nicht wie Olaf Scholz und dessen Vorbild Angela Merkel abwartend und abwägend, sondern angriffslustig und voller Gestaltungsdrang. Vielen Bürgern, die den bedächtigen Regierungsstil der Altkanzlerin schätz(t)en, war der kantige, bisweilen überschießende Sauerländer daher stets etwas suspekt. Doch das wohltemperierte Deutschland der Merkeljahre, in der sich Vieles aussitzen ließ, gibt‘s nicht mehr. Die sich auftürmenden Krisen unserer Zeit verlangen nach neuen Antworten – und auch einem anderen Politikstil, der Probleme adressiert und angeht. Die Idee, das Land lasse sich von hinten führen, ist mit der Zeitenwende zerstoben. Die Wutwelle, die gerade den Ampelkanzler trifft, ist Ausdruck der neuen Ungeduld.
Der von Merz vorgelegte Asyl-Wendeplan folgt einer neuen politischen Führungskultur, einer, die Dinge ändern will, statt zu erklären, warum sie sich angeblich nicht ändern lassen. Der Plan ist eine politische Allzweckwaffe: vordergründig natürlich der Versuch, die Ampel zu spalten, eventuell sogar zu sprengen und eine Richtungsveränderung für das Land herbeizuführen; die hektischen Manöver, die die Regierungskoalition plötzlich doch vollführt, um aus der Merz-Falle zu entkommen, zeigen, dass dem Oppositionsführer ein Wirkungstreffer gelungen ist. Doch steckt in der Migrationsoffensive des CDU-Chefs auch eine Ansage an den Neben-Kanzlerkandidaten Markus Söder, es doch bitte endlich sein zu lassen, und eine Machtdemonstration an den störrischen Merkel-Flügel: Sicherheit und Ordnung sollen in der CDU wieder vor Willkommenskultur kommen.
Doch erst mal geht es für die CDU ums Überleben im Osten, wo, auch das weiß der CDU-Vorsitzende, viele in der Diktatur sozialisierte Menschen noch stärker als anderswo nach einem starken Staat rufen. Am 22. September setzt Brandenburg den Schlusspunkt unter den Wahlreigen. Dann hofft Merz endlich am Ziel seiner gefahrvollen Reise zur Unions-Kanzlerkandidatur angekommen zu sein. Georg.Anastasiadis@ovb.net