Treffen in Rom: Manfred Weber mit Giorgia Meloni. © fkn
München – Den EU-Gipfel Mitte Juni dürfte Giorgia Meloni länger nicht vergessen. Stundenlang musste die italienische Premierministerin warten, während Olaf Scholz und Emmanuel Macron mit anderen Regierungschefs hinter verschlossenen Türen um Posten feilschten. Hinterher beschwerte sich Meloni über die „Oligarchie“, die linke und liberale Kandidaten bevorzugen würde. Kein Wunder also, dass gestern ein Besuch aus Brüssel in den italienischen Zeitungen relativ große Aufmerksamkeit erhielt: der von Manfred Weber, dem Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament. Weber stand der rechten Politikerin schon immer pragmatisch offen gegenüber. Heute ist seine Botschaft: Deutschland kann von ihr lernen.
„Die zweijährige Amtszeit von Meloni zeigt uns: Zupackende Politik kann Probleme lösen, auch unter Berücksichtigung unserer Werte und im Rahmen des europäischen Rechts“, sagte Weber unserer Zeitung. „Das muss unser Maßstab sein. Eine Reduktion der Ankunftszahlen um circa 60 Prozent binnen eines Jahres und das Albanienmodell, das gerade aufgebaut wird, sind der richtige Weg.“ Vor allem auf der von Tunesien nur knapp 190 Kilometer entfernten italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ist der Rückgang bemerkbar. Dort sind statt 58000 Menschen im ersten Halbjahr 2023 in diesem Jahr nur 21 000 Menschen angekommen. Insgesamt sind aus Tunesien 50000 Menschen weniger nach Italien aufgebrochen, aus Libyen 13000.
In Deutschland ist die Debatte nach dem Anschlag in Solingen und vor den Landtagswahlen im Osten neu entbrannt. Laut Weber steht Berlin dabei in allen EU-Hauptstädten unter Beobachtung: „Bei der Frage, ob sich die Menschen auf den Weg nach Europa machen, ist Deutschland das Problem“, sagt der CSU-Politiker. „Ganz Europa würde aufatmen, wenn die Ampel-Regierung endlich aufhört, den Eindruck zu erwecken, dass alle willkommen sind. Es ist wichtig, dass nun die sozialen Anreize zurückgenommen werden. Bislang lautete die Botschaft: Illegale Einreisen lohnen sich. Das muss beendet werden.“
Tatsächlich kommt vieles in Bewegung. Der gestrige Asylkompromiss sieht vor, Asylbewerbern, für die eigentlich andere EU-Länder zuständig sind, die Leistungen zu streichen. Menschen, die beispielsweise schon in Griechenland, Italien und Spanien nach der Flucht über das Mittelmeer registriert wurden, erhielten dann vermutlich weder Geldleistungen noch eine Bezahlkarte, sondern nur die nötigsten Sachleistungen wie Verpflegung und Hygieneartikel. Wie genau der Plan ausgestaltet wird, werden die nächsten Tage zeigen.
Doch natürlich lässt sich nicht alles national lösen. Alle Politiker führen den „Schutz der Außengrenzen“ im Mund: „Der Beschluss auf europäischer Ebene ist klar, an den Außengrenzen entstehen Einrichtungen zur Prüfung des Anspruchs auf Asyl“, sagt EU-Politiker Weber. Das gehe nicht von heute auf morgen, aber es werde investiert. „Außerdem müssen wir den Pakt, den wir mit Tunesien geschlossen haben, auf den ganzen Mittelmeerraum ausweiten. Auch bei den Rückführungsabkommen sind wir noch nicht ausreichend vorangekommen.“
Trotzdem: Die Mühlen mahlen oft langsam. Zum Beispiel bei der Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber. In Bayern ist sie bereits seit zwei Monaten im Einsatz. Bundesweit wurde sie zunächst politisch verschleppt, jetzt auch juristisch. Ein im Vergabeverfahren unterlegenes Unternehmen hat Beschwerde beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingereicht. Wie lange das Verfahren dauert, ist unklar.
MIKE SCHIER