Es sind denkbar schlechte Zeiten für Kiew: Putins Truppen sind im Osten des Landes auf dem Vormarsch, und zum dritten Mal in Folge müssen sich die Ukrainer auf einen eisigen Winter einstellen – seit Wochen bombardiert Russland gezielt die kritische Infrastruktur im Land. Und dann auch noch die bröckelnde Unterstützung der drei größten Partner im Westen. Die Pariser Zeitung „Le Monde“ hat es so zusammengefasst: Die USA sind mitten im Wahlkampf, Frankreich durch eine schwere politische Krise schwer gehandicapt – und Deutschland entscheidet, dass es sich seine Militärhilfe für Kiew nicht mehr leisten kann.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba drückte sich gestern bei dem Treffen der EU-Außenminister noch nett aus: Es gebe Verzögerungen bei der Lieferung von Luftverteidigungssystemen, zugesagtes Material komme nicht an. Er wünsche sich mehr Zuverlässigkeit, mehr Tempo. Er hätte auch sagen können: Wacht auf, ihr lasst uns im Stich.
Es war der erste EU-Gipfel nach der Sommerpause. Seit dem letzten Treffen ist viel passiert. Deutschland hat seine Ukraine-Hilfen halbiert, es sollen keine neuen Zusagen mehr gemacht werden. EU-Chefdiplomat Josep Borrell nannte das „besorgniserregend“. Er hat recht: Scholz hat Kiew zwar 50 Milliarden Dollar aus den Zinsen eingefrorener Russen-Gelder versprochen – doch das muss von allen EU-Staaten einstimmig gebilligt werden. Nicht unwahrscheinlich, dass ein Putin-Handlanger wie Orbán das blockiert. Nebenstreitigkeiten mit Ungarn über den Ort des Gipfels (Borrell hatte ihn zur Strafe von Budapest nach Brüssel verlegt) sind da maximal unnötig. Handfeste Ergebnisse für Kiew werden nach diesem Treffen jedenfalls nicht erwartet. Den Preis zahlen – wie immer – die Ukrainer. Kathrin.Braun@ovb.net