Klare Signale in Brüssel: Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba (r.) und EU-Chefdiplomat Josep Borrell. © dpa/Mayo
Brüssel – In der EU werden erstmals Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder geprüft. Chefdiplomat Josep Borrell legte zu einem Außenministertreffen in Brüssel einen Vorschlag für Strafmaßnahmen gegen Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir vor. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen.
Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Smotrich. Er bezeichnete eine mögliche Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt, selbst wenn dies den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bedeute. Zugleich räumte er ein, dass die internationale Gemeinschaft ein solches Vorgehen nicht zulassen würde.
Ob und, wenn ja, wann der Vorschlag von Borrell umgesetzt wird, ist noch unklar. Hintergrund ist, dass Sanktionsbeschlüsse in der EU einstimmig gefasst werden müssen und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn Sanktionsforderungen gegen Israel bislang eher kritisch gegenüberstanden. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schloss bei dem EU-Treffen allerdings eine deutsche Zustimmung zu den Plänen nicht aus. Sollten die Sanktionspläne umgesetzt werden, dürften die Betroffenen nicht mehr in die Europäische Union einreisen. Zudem müssten möglicherweise in der EU vorhandene Vermögenswerte von ihnen eingefroren werden.
Als ein Argument gegen eine Sanktionierung der Minister nennen Diplomaten in Brüssel die anhaltenden Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts im Nahen Osten. Vor diesem Hintergrund könne es kontraproduktiv sein, durch Sanktionen Gesprächskanäle in die israelische Regierung zu gefährden. Bislang hat die EU nur Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren Strukturen verhängt. Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sind allerdings auch Verfechter der aus Sicht des höchsten UN-Gerichts illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland.
Aus Israel kam scharfe Kritik an Borrell. So warnte der israelische Außenminister Israel Katz bereits vor dem Treffen vor möglichen israelfeindlichen Entscheidungen und kritisierte, dass diese von „antiisraelischen Elementen“ vorangetrieben würden. Angesichts einer Bedrohung Israels durch den Iran und „seine stellvertretenden Terrororganisationen“ müsse die freie Welt an der Seite Israels stehen und dürfe sich nicht gegen das Land wenden.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte in Brüssel angesichts der jüngsten russischen Luftangriffe die Militärhilfen der europäischen Verbündeten als zu schleppend. Es gebe teils „exzessiv lange“ Zeitabstände zwischen Ankündigungen und Lieferungen – etwa bei Patriot-Systemen. Mit Baerbock wollte Kuleba nach eigenen Worten auch über die deutschen Hilfen sprechen.
Baerbock stellte der Ukraine in Brüssel Hilfe gegen den „Kältekrieg“ in Aussicht, den Russlands Präsident Wladimir Putin in diesem Winter gegen die Zivilbevölkerung führen wolle – „einen massiveren Kältekrieg als in den Jahren zuvor“, wie sie sagte. Die Ministerin verwies dabei auf vier weitere Luftabwehrsysteme vom Typ Iris-T, die Berlin bis zum Jahresende liefern will, sowie weitere Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard.
DPA/AFP