Der britische Milliardär Mike Lynch ist vor wenigen Tagen mit seiner Luxusjacht vor der Küste Siziliens untergegangen, unter sehr unwahrscheinlichen Umständen. Zwei Tage zuvor war der langjährige Finanzchef von Lynch, Steven Chamberlain, in der englischen Grafschaft Cambridgeshire ums Leben gekommen. Beim Joggen wurde der 52-Jährige von einem Auto umgefahren. Vor Kurzem waren beide, Lynch wie Chamberlain, von einer US-Jury vom Verdacht des Betruges beim Verkauf ihrer Software-Firma gegen alle Erwartungen freigesprochen worden.
Ungewöhnliche Zufälle gibt es immer wieder im Leben. Unsere Fantasie aber ist ungern geneigt zu glauben, dass manches wirklich blinder Zufall ist. So gibt es schon Verschwörungstheorien bis nach Russland, dass der plötzliche Tod von Lynch und Chamberlain in einem geplanten Zusammenhang stehen könnte. Bei der Staatslotterie von Bulgarien haben 2009 dieselben Losnummern zwei Wochen nacheinander gewonnen. Auch das wollte niemand glauben. Eine daraufhin angestrengte Untersuchung aber kam zu dem Ergebnis, dass auch hier der Zufall gewaltet hatte. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, dass so etwas geschieht, soll bei eins zu vier Millionen liegen. Das ist in der Tat bizarr. Aber dass Zufälle passieren, ist eben nicht nur wahrscheinlich, sondern auch alltäglich.
Wir mögen uns zwar einbilden, dass wir Kontrolle haben über unser Leben und was um uns herum passiert. Aber in Wahrheit leben wir doch in einer komplexen, ungeordneten und oft unerklärlichen Welt, in der Zufälle eine ganz große Rolle spielen. Das Zufällige beginnt damit, wie wir geboren werden. Denn bei den vielfältigen Wegen, in denen die Chromosomen unserer Eltern sich verbinden, könnten wir, nur eine Stunde später oder früher gezeugt, genetisch ein ganz anderer Mensch sein.
Die größten Physiker wie Philosophen aller Zeiten haben sich schon mit der Frage beschäftigt, ob alles, was auf dieser Welt passiert, bloß Zufall ist oder ob das Geschehen in der Welt einen streng kausalen Charakter hat. Dass alles zufällig aus statistischen Ergebnissen erfolgt, dafür hat insbesondere die von Max Planck entwickelte Quantentheorie mit der Heisenbergschen Unschärferelation eine ganze Anzahl von sehr einleuchtenden Belegen erbracht. Für uns physikalische Laien lässt sich das am einfachsten ausdrücken mit dem Satz: „Gott würfelt“.
Ausgerechnet Max Planck aber hat sich in einem Brief vom 30. 7. 1941 skeptisch gegenüber dem reinen Zufallsprinzip geäußert und eher daran gedacht, „die unzweifelhaft statistischen Gesetze auf kausale Einzelvorgänge zurückzuführen“.
Zusammenfassend schreibt er, der Gedanke, „dass die Welt wie ein Uhrwerk gesetzmäßig abschnurrt, hat auch für mich etwas Abstoßendes, aber nicht weniger, ja viel mehr abstoßend ist mir der entgegengesetzte Gedanke, dass in erster Linie der blinde Zufall regiert“.
Wirklich gelöst hat wohl auch die so viel weiter fortgeschrittene Naturwissenschaft die Frage von Zufall oder vorgezeichnetem Schicksal bis heute nicht. Wenn aber sogar einem Genie wie Max Planck unwohl war in beide Richtungen des Denkens, dann haben wir uns unserer eigenen Unwissenheit nicht zu schämen.
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