Farbattacke auf Sahra Wagenknecht in Erfurt. © AFP
München – Normalerweise dürfte ein kleiner Zwischenfall bei einem Wahlkampfauftritt in Thüringen ausländische Medien kaum interessieren. Doch als Sahra Wagenknecht am Donnerstag auf einer Bühne in Erfurt mit roter Farbe attackiert wird, berichten etliche russische Nachrichtenkanäle darüber. Die „berühmte deutsche Politikerin“ wurde Opfer eines Farbanschlags, meldet etwa die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti.
Tatsächlich ist die BSW-Vorsitzende ein Star in Russland. Die russische Nachrichtenagentur „Tass“ berichtet alle paar Tage über Wagenknecht. Das russische Staatsfernsehen feiert ihr Nein zu deutschen Militärhilfen für die Ukraine und der Stationierung von US-Raketen in Deutschland.
Auf der Plattform „VKontakte“, quasi das russische Facebook, findet sich bereits eine eindeutige Antwort auf die Kanzlerfrage. Über 80 000 Menschen folgen dem Account „Sahra Wagenknecht – die zukünftige Bundeskanzlerin Deutschlands“. Hinter dem Profil stecken russische Propagandisten, die die Putin-Versteherin an der Spitze der deutschen Politik sehen wollen. „Unterstützen wir Sahra Wagenknecht in ihrem schwierigen Kampf!“, schreiben die Betreiber der Seite. „Russische Bürger gibt es überall und wir können und müssen unseren Verbündeten in anderen Ländern helfen.“
Auch in deutschsprachigen Netzwerken stilisieren kremlnahe Accounts Sahra Wagenknecht kurz vor der Landtagswahl in Thüringen zur Hoffnungsträgerin. Eigentlich sollte es längst keine russische Propaganda mehr in Deutschland geben: Mit Beginn des Ukraine-Kriegs hat die EU Sender wie „Russia Today“ und „Sputnik“ verboten.
Doch bereits vor einem Jahr deckte das Institut für Strategischen Dialog (ISD) auf, wie einfach es für russische Staatsmedien ist, die EU-Sanktionen zu umgehen. Um weiterhin Menschen in Europa manipulieren zu können, posten sie ihre Propaganda einfach in den Sozialen Medien. Nach Recherchen des ISD haben russische Staatssender ein Netzwerk aus mehreren Ablegern gebildet, das in den Sozialen Medien Kurzvideos verbreitet. Mit Erfolg: Allein die Sputnik-Ableger sollen mehrere zehn Millionen Aufrufe erzielt haben. Einzelne Videos wurden knapp vier Millionen Mal aufgerufen.
Über 70 000 Nutzer folgen beispielsweise dem kremlnahen Account „Bloss mit Biss“ auf Instagram. Dort gibt es täglich Kurzvideos über deutsche Politik. In einem Clip ist beispielsweise Wirtschaftsminister Robert Habeck zu sehen, als er Mitte August durchs Land reist, um für Wärmepumpen zu werben. Im Hintergrund spricht eine KI-generierte Erzählerstimme vom „Grünen-Ritter Habeck“, der seine Pferde für einen „Wärmepumpen-Kreuzzug“ einspannte und Lobbyismus betrieben haben soll. Ein anderes Video zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz, wie er bei einem Nato-Gipfel die Stationierung von US-Raketen in Deutschland rechtfertigt. Gleich darauf wird Sahra Wagenknecht eingeblendet, wie sie ihn als „Vasallenkanzler“ der USA bezeichnet.
Schnell fällt auf: Auf „Bloss mit Biss“ schneiden bis auf BSW- und AfD-Politiker die Vertreter aller anderen Parteien durchweg schlecht ab. Vor allem Olaf Scholz und Grünen-Politiker werden hart angegangen. Inzwischen hat Instagram den Kanal mit einem Warnhinweis versehen: Man sei der Auffassung, dass der Account „völlig oder teilweise der Kontrolle von Russland unterliegt“, heißt es.
MAYANK SHARMA