Eine schillernde Figur: Alexandre de Moraes, Präsident des Obersten Wahlgerichts von Brasilien, während des Verfahrens gegen Ex-Präsident Bolsonaro. © dpa
Er war einst ein bei linken Gruppen gefürchteter Staatssekretär, heute ist er der erklärte Feind der brasilianischen Rechten: Alexandre de Moraes, Richter am Obersten Gerichtshof in Brasilien, ist bekannt für seine Strenge. Aktuell lässt der Mann mit dem markanten Glatzkopf und ausdrucksstarken Augenbrauen diese Unnachgiebigkeit gegen Elon Musk und dessen Online-Dienst X walten. Moraes verfügte die „sofortige, vollständige und umfassende“ Sperrung des Twitter-Nachfolgers in Brasilien.
Hintergrund ist ein monatelanger Streit um die Sperrung von Konten des Online-Dienstes, die dem Richter zufolge vor allem von Anhängern des rechtsextremen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro benutzt wurden, um Desinformationen zu verbreiten. Für Musk ist Moares deswegen ein „böser Diktator“ und „Pseudo-Richter“, der die Demokratie „für politische Zwecke“ zerstöre.
Ähnliche Vorwürfe Musks hatte Moares mit einer klaren Ansage gekontert: „Redefreiheit bedeutet nicht Aggressionsfreiheit. Es bedeutet nicht Freiheit zur Verteidigung von Tyrannei.“ Der Richter war mit seinen Urteilen bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2022 konsequent gegen die Verbreitung von Falschinformationen in Online-Netzwerken vorgegangen und hatte damit Musks Zorn auf sich gezogen.
Zudem machte sich Moares auch Bolsonaro zum Feind, der den Richter einmal als „Abschaum“ bezeichnete. Das Bolsonaro-Lager habe in Moares seinen „Lieblingsfeind“ gefunden, sagt der Verfassungsexperte Antonio Carlos de Freitas. Gründe dafür gibt es viele. Moares leitete gegen Bolsonaro noch während dessen Amtszeit mehrere Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung von Falschinformationen ein.
Zudem kann Bolsonaro wegen einer Entscheidung des von Moares geleiteten Obersten Wahlgerichts bis 2030 nicht mehr für ein politisches Amt kandidieren. Das Gericht urteilte, Bolsonaro habe Machtmissbrauch begangen, weil er vor seiner Wahlniederlage 2022 unbegründete Behauptungen über angebliche Sicherheitsmängel im Wahlsystem des Landes aufgestellt hatte.
Die wohl wichtigsten Ermittlungen, die Moares gegen Bolsonaro derzeit führt, betreffen einen Putschversuch, den der Ex-Präsident nach dem Wahlsieg seines Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva geplant haben soll. Den polizeilichen Ermittlungen zufolge wollte Bolsonaro dabei auch Moares verhaften lassen.
Anders als seine Fehde mit dem Bolsonaro-Lager und sein Ruf als unerbittlicher Gegner von Desinformation vermuten lässt, hat „Xandão“, wie Moares unter Verwendung des portugiesischen Spitznamens für Alexander auch genannt wird, laut Beobachtern auch Talent zum Dialog. Aus dem Verfassungsgericht heißt es, der 55-Jährige sei ein Pragmatiker, der gute Beziehungen zu den verschiedensten Kreisen habe, darunter auch zum Militär. Zudem soll der Vater von drei Kindern trotz seines strengen Auftretens einen ausgeprägten Sinn für Humor haben.
Bevor er zur Hassfigur der Rechten wurde, war Moares auch in linken Kreisen gefürchtet. Der Spezialist für Verfassungsrecht war Staatsanwalt in São Paulo, bevor er in dem Bundesstaat das Amt des Staatssekretärs für öffentliche Sicherheit übernahm. Während dieser Zeit machte er sich einen Namen als Hardliner. Linke Aktivisten warfen ihm vor, soziale Bewegungen zu unterdrücken. Später diente Moares unter dem Mitte-rechts-Präsidenten Michel Temer als Justizminister.
Moares hat nach Angaben aus seinem Umfeld auch selbst durchaus politische Ambitionen. Dabei schließe er auch das Präsidentenamt nicht aus, heißt es.