Da haben die rebellischen Ossis ja was zusammengewählt! Sieg der rechten und der links-rechten Radikalen, Kollaps der etablierten Parteien, Krise der liberalen Demokratie: Egal zu welcher Überschrift man greifen mag, von diesem Wahlsonntag in Sachsen und Thüringen geht 35 Jahre nach der Wiedervereinigung ein zweites Wendesignal aus. Eines, das zu überhören gefährlich wäre. Weder betrifft es nur den wilden Osten des Landes noch allein die vernichtend abgestraften Ampelpartner.
Der Messer-Terror von Solingen war nur der dramatische Schlussakkord zum sich schon länger abzeichnenden Untergang von FDP und Ost-Grünen. Spannt man den Bogen etwas weiter, fand gestern ein historisches Experiment sein vorläufiges Ende, das vor zwei Jahrzehnten mit der Linksverschiebung der CDU durch Angela Merkel begann und mit der Migrationskrise ab 2015 eskalierte. Der massenhafte Exodus von Stammwählern zur AfD schwächte die Union so dramatisch, dass sie seither ihr Heil in immer neuen ungeliebten Koalitionen und verwaschenen Kompromissen mit SPD und/oder Grünen suchen muss, was den Radikalen noch mehr Wähler zutreibt. Ein Teufelskreis, der die sich aneinander klammernden Etablierten immer schwächer und die Extremen immer stärker macht. Unfassbar, wie die Partei der Ex-Kommunistin und Putin-Versteherin Sahra Wagenknecht die Volkspartei SPD aus dem Stand deklassierte.
Es ist ja eigentlich ein Treppenwitz der Geschichte: Die Gesellschaft rückt seit einer Dekade beständig nach rechts, bei der Bundestagswahl 2021 wählten die Deutschen so konservativ wie lange nicht mehr – bekamen aber, weil die von Höcke gelenkte AfD nicht koalitionsfähig war (und immer noch nicht ist), eine linksgrün dominierte Regierung mit liberalem Hilfsmotor. Diese stresst seither die Gesellschaft mit abgefahrenen Abenteuern, vom Bürgergeld über das Heizungsgesetz bis zum ultraliberalen Staatsbürgerschaftsrecht und vor allem der ungesteuerten Migration, die Horst Seehofer einst völlig zu Recht die „Mutter aller Probleme“ nannte, auch wenn daraufhin ein Sturm der scheinheiligen Entrüstung losbrach. Den vielfach in der Diktatur sozialisierten Ostdeutschen mit ihrer geringen Parteienbindung und fehlenden Scheu gegenüber autoritären Kräften ist nun schneller als den Wessis der Geduldsfaden gerissen. Man kann dieses Wahlbeben auch als die Rückabwicklung der Wende von 1989 lesen. Damals übernahmen die etablierten westdeutschen Parteien den Osten, mitsamt Westbindung und „American Way of Life“. Geht es nach dem Willen von Sahra Wagenknecht, markiert der gestrige Tag den Beginn der „Konterrevolution“, zurück in die offenen Arme Russlands.
Ganz gleich, wie es in den Landtagen von Sachsen und Thüringen nun weitergeht, ob die Ampel ihre faktische Abwahl durch den Souverän akzeptiert oder nur ihre Politik mal wieder „besser erklären“ will: Die für die Republik langfristig zentrale Frage ist, ob die Christdemokratie ihre Funktion als Deutschlands stabiles Zentrum zurückerlangen kann, oder ob sie wie in Frankreich und Italien durch die Rechtsradikalen ersetzt wird. Das gelingt nicht, indem die CDU Koalitionen mit der AfD eingeht oder sich für Bündnisse mit den Grünen herausputzt. Sondern nur mit einem Programm, das der demokratischen Rechten wieder ein selbstbewusstes bürgerliches Politikangebot unterbreitet, das die Migration begrenzt und ordnet, auf dem Arbeitsmarkt Leistung wieder belohnt und die Überforderung des Sozialstaats nach den verschwenderischen Merkel-Jahren beendet. Zumindest Friedrich Merz und Markus Söder scheinen das verstanden zu haben. Jetzt müssen sie auch in der Kandidatenfrage schnell zueinanderfinden. Georg.Anastasiadis@ovb.net