Sechs weitere Geiseln sind tot

von Redaktion

Sie alle starben als Hamas-Geiseln: Hersh Goldberg-Polin (oben l-r), Ori Danino, Eden Jerushalmi und Almog Sarusi (unten l-r), Alexander Lobanov und Carmel Gat. © dpa

Gaza/Tel Aviv – Die Nachricht hat weltweit Entsetzen ausgelöst: Die israelische Armee hat die Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen geborgen. Das gab das Militär am frühen Sonntagmorgen bekannt. Am Vorabend hatte die Armee zunächst den Fund mehrerer Leichen bekannt gegeben, ohne dabei nähere Einzelheiten zu nennen.

Nach stundenlanger Prüfung der Identität der Leichen herrschte Gewissheit. „Wir alle wachen auf mit der schrecklichen Nachricht, dass sechs weitere tote Geiseln gefunden wurden, die von der Hamas getötet wurden“, erklärte der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert. Namentlich nannte Seibert die 40-jährige Carmel Gat. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober habe sich die deutsche Botschaft an der Seite der Familie für ihre Freilassung eingesetzt.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die Nachricht über den Tod sechs weiterer Geiseln sei „unerträglich“. „Unser Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der Opfer. Die Hamas muss endlich alle Geiseln aus der Gefangenschaft freilassen. Dafür setzen wir uns weiter mit Hochdruck ein.“ Ob Carmel Gat die deutsche Staatsbürgerschaft hatte, bestätigte das Auswärtige Amt nicht.

Die sechs Ermordeten seien in einem unterirdischen Tunnel im Gebiet Rafah im Süden des Gazastreifens gefunden und nach Israel überführt worden, teilte die Armee mit. Alle sechs Opfer waren beim Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres als Geiseln genommen und in den Gazastreifen entführt worden. „Nach unserer ersten Einschätzung wurden sie von Hamas-Terroristen brutal ermordet, kurz bevor wir sie erreichten“, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari.

Bei den Opfern handelt es sich um vier Männer – Hersh Goldberg-Polin (23), Alexander Lobanov (32), Almog Sarusi (27) und Ori Danino (25) – sowie zwei Frauen – Carmel Gat (40) und Eden Jeruschalmi (24). Laut dem Forum der Angehörigen der Geiseln waren zumindest fünf der sechs Opfer am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste entführt worden, das nahe der Grenze zum Gazastreifen stattfand.

Die Eltern von Goldberg-Polin, der auch US-Staatsbürger ist, hatten sich unermüdlich für seine Freilassung eingesetzt. Erst im vergangenen Monat rührten sie die Teilnehmer eines Parteitags der US-Demokraten mit der Geschichte ihres Sohnes, der bei der Entführung einen Arm verloren hatte, zu Tränen. Am Donnerstag nahmen sie gemeinsam mit anderen Geisel-Angehörigen an einem Protest an der Gaza-Grenze teil. „Hersh, hier ist Mama“, rief Rachel Goldberg-Polin mit einem Megafon in den Gazastreifen. „Ich liebe dich, bleib stark, überlebe!“

Der Angehörige einer weiterhin vermissten Geisel sagte dem israelischen TV-Sender Channel 13: „Wenn wir warten, bis wir auch den letzten Hamas-Kämpfer gefangen haben, werden keine lebenden Geiseln mehr übrig bleiben, die man retten könnte.“ Der Fund der Leichen sei ein trauriger Beweis dafür. „Netanjahu kann einen Deal zu ihrer Befreiung erzielen. Natürlich ist es die Hamas, die die Geiseln entführt und ermordet hat, daran hat niemand einen Zweifel, aber der Regierungschef kann sie retten – aber er tut es nicht, er lässt sie im Stich.“

Nach der Bergung der Leichen hat das Forum der Geisel-Angehörigen zum Generalstreik in Israel und zu einer Großdemonstration in Tel Aviv aufgerufen. Die Angehörigen appellierten an die größte israelische Gewerkschaft Histadrut, sich an dem Generalstreik ab Sonntagnacht zu beteiligen. Mehrere Unternehmen kündigten Solidaritätsaktionen zur Unterstützung der Familien der Geiseln an. Die Kinos einer großen Kette und zahlreiche Restaurants sollten beispielsweise am Sonntagabend geschlossen bleiben. Auch der führende Oppositionspolitiker Jair Lapid rief zum Generalstreik auf: „Sie waren am Leben, aber Netanjahu und sein Kabinett des Todes haben beschlossen, sie nicht zu retten.“

Israels Verteidigungsminister Joav Gallant rief seine Kabinettskollegen unterdessen auf, nicht wie zuvor beschlossen auf einer andauernden israelischen Militärpräsenz im sogenannten Philadelphi-Korridor entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zu bestehen. Die Anwesenheit israelischer Truppen in dem Grenzgebiet ist ein zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen und eine Geiselfreilassung. Die Regierung müsse „unverzüglich zusammenkommen und die am Donnerstag getroffene Entscheidung zurücknehmen“, forderte Gallant.

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