Die Ampel will es hinter sich bringen

von Redaktion

Düstere Aussichten für Olaf Scholz: Der Kanzler wurde bei den Landtagswahlen hart abgestraft – und ist immer noch besser davongekommen als die Ampelpartner. © Inga Kjer/Picture alliance

München – Es hat Wolfgang Kubicki ganz offensichtlich in den Fingern gejuckt. Als im Fernsehen die ersten Hochrechnungen übertragen werden, wartet er exakt 15 Minuten. Dann beerdigt er die Ampel. Mal wieder. „Die Ampel hat ihre Legitimation verloren“, twittert der FDP-Vize. „Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land.“ Und sie schadet vor allem seiner Partei, meint der 72-Jährige.

Es ist nicht so, als seien die Ergebnisse der Ost-Wahlen ein Schock für die FDP. Man hat die Verluste eingepreist. In Thüringen hat die Bundesspitze den Spitzenkandidaten Thomas Kemmerich nicht mal mehr unterstützt – seit er sich bei der letzten Landtagswahl 2019 mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen ließ, geht man lieber getrennte Wege.

Doch 0,9 Prozent in Sachsen, 1,1 Prozent in Thüringen – das tut auch mit niedrigen Erwartungen weh. In Sachsen rangiert die FDP nur noch unter der Kategorie „Sonstige“. Selbst die Tierschutzpartei hat mehr Listenstimmen. Für eine Regierungspartei, die vier Bundesminister stellt: eine Blamage.

Christian Lindner will davon nichts wissen. Als er sich am Montagvormittag der Presse stellt, ist das Thema für ihn schon abgehakt. Ja, in Sachsen und in Thüringen sei die FDP durchgefallen. Das sei ein „schmerzhafter Rückschlag“. Aber jetzt müsse man nach vorn schauen. Der FDP-Chef spricht davon, dass die deutsche Wirtschaft „zurück auf den Erfolgspfad“ müsse; er wirbt noch mal für seine sogenannte Wachstumsinitiative. Verschärfung des Bürgergelds hier, Bürokratieabbau da. Es klingt mehr nach Wahlkampf als nach Fehlersuche. Ob er Kubickis Aussagen verstehe? „Nein, hier haben wir unterschiedliche Auffassungen.“ Die FDP stehe zum Koalitionsvertrag. Vielleicht stellen ihn ja die anderen Ampelparteien infrage, stichelt er, aber nicht er und seine FDP.

Bei der SPD klingt der Ton schon ganz anders. Generalsekretär Kevin Kühnert platzt noch am Wahlabend der Kragen. Man wolle sich „nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen“ von anderen, die krachend aus den Landtagen geflogen sind. Die Ampel hätte viele Versprechen nicht eingelöst, etwa bei der Rentenreform. Grund: „Einer unserer Koalitionspartner“ halte das Rentenpaket noch immer in der Warteschleife. Damit meint er die FDP. „Der Geduldsfaden wird dünner.“

Man werde die Legislaturperiode schon noch gemeinsam beenden, sagt auch Kühnert. Es klingt mehr wie ein: Bringen wir‘s hinter uns. Immerhin ein paar Fehler sieht er auch bei seiner Partei. Das mit dem Krieg und dem Frieden hätte die SPD wohl besser kommunizieren können, gibt er zu. Zuletzt hatte es bei den Sozialdemokraten viel Streit um die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Deutschland gegeben – ein Kanzler-Projekt auf eigene Faust. Die Wähler im Osten sehen das besonders kritisch.

Trotzdem bemühen sich die Genossen um Geschlossenheit. Parteichef Lars Klingbeil bemüht sich gleich darum, Personaldebatten um den Kanzler zu zerstreuen: „Wir wollen und werden mit Olaf Scholz antreten bei der nächsten Bundestagswahl“, sagt er. Dann versucht er es mit ein wenig Trost. Die SPD habe ja immerhin besser abgeschnitten als noch vor einigen Wochen vorhergesagt. Ein Grund zum Jubeln sei das sicher nicht. Aber es hätte schlimmer kommen können: Sie hat es zumindest in beide Landtage geschafft. Auch wenn es knapp war.

Dagegen erleben die Grünen ihren Albtraum. In Thüringen ist die Partei aus der Regierung in die außerparlamentarische Opposition geflogen, in Sachsen hat sie gerade so noch die Fünf-Prozent-Hürde geschafft – mit einem Minus von drei Prozent. Die Stimmung ist emotional. Parteichefin Ricarda Lang verdrückt am Wahlabend ein paar Tränen. Die Schuld gibt sie der CDU. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und CDU-Chef Friedrich Merz hätten in ihrem Wahlkampf das „Feindbild Grüne“ gepflegt. Da „sägen Demokraten an dem Ast, auf dem sie selbst sitzen“, sagt sie.

Ein bisschen mehr Einsicht kommt von ihrem Co-Chef Omid Nouripour. Er macht den „überflüssigen Streit“ in der Ampel für die schlechten Ergebnisse verantwortlich. Man müsse sich „an die eigene Nase fassen“. Er selbst war derjenige, der die Ampel kürzlich als „Übergangsregierung“ bezeichnet hatte. Er hätte auch sagen können: Die Luft ist raus – und zwar bei allen Ampelpartnern. Platzen lassen will sie trotzdem niemand.

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