Erfurt – Zum ersten Mal geht die AfD als stärkste Kraft aus einer Landtagswahl hervor. Trotzdem sieht Thüringens CDU-Chef Mario Voigt den Regierungsauftrag bei sich. Ihm bleiben nach der Wahl 30 Tage Zeit, um eine neue Koalition zu schmieden. Wie das funktionieren soll, ist noch völlig offen: Seine Partei steht vor einem Dilemma.
Voigt hatte angekündigt, Gespräche mit SPD und BSW führen zu wollen – der CDU-Landesvorstand machte gestern Abend den Weg dafür frei. Zusammen kommen die drei Parteien aber nur auf 44 Sitze im Landtag, 45 wären für eine Mehrheitsregierung nötig.
Rein rechnerisch könnte sich etwa eine Koalition aus CDU, BSW und Linken auf eine Mehrheit von 50 Sitzen stützen. Mit der Linken zu regieren, ist der Thüringer CDU aber verboten. Nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundespartei vor fünf Jahren darf die CDU weder mit der AfD noch mit der Linken koalieren. Doch innerhalb der Partei wurden bereits erste Stimmen laut, diesen Beschluss aufzuheben. Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte: „Es ist absurd, dass es diesen Beschluss gibt und man mit der pragmatischen Linken nicht zusammenarbeiten will.“ Die Wahrheit sei, „dass die Linke in Ostdeutschland in großen Teilen eine konservative Sozialdemokratie ostdeutscher Prägung ist“. CDU-Chef Friedrich Merz bekräftigte indes, dass gemeinsames Regieren mit den Linken weiterhin tabu sei.
Im Raum steht nun unter anderem die Idee, dass die Linke des bisherigen Regierungschefs Bodo Ramelow künftig eine CDU-geführte Minderheitsregierung toleriert, ohne an der Regierung beteiligt zu sein. Festlegen will sich Voigt aber noch nicht. „Wir bewegen uns hier in einer neuen Situation“, sagte er. So etwas löse man nicht „über Nacht“.
Neu wäre das für Thüringen nicht. Dort regiert Ramelow bereits seit 2019 mit einer rot-rot-grünen Minderheit. Dieser zeigte sich indes bereit, mit der CDU zusammenzuarbeiten. „Thüringen braucht schnell eine stabile Mehrheitsregierung jenseits der AfD, und wir müssen dafür alle denkbaren Lösungen nutzen“, sagte Ramelow dem Magazin „Stern“. Er würde Voigt auch als Ministerpräsidenten unterstützen.
Als stärkste Kraft steht die AfD nun völlig isoliert da, keine andere Partei will mit ihr kooperieren. Das Gespräch will sie trotzdem suchen. Der Landesvorstand habe einstimmig beschlossen, die Spitzen von CDU und BSW zu Gesprächen einzuladen, teilte AfD-Vize Torben Braga mit. Man wolle „sondieren, ob eine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit vorhanden ist“. Im Thüringer Landtag hat die AfD mit gut einem Drittel der Sitze künftig eine Sperrminorität. Bei einigen wichtigen Gesetzesvorhaben und Personalentscheidungen führt kein Weg an ihr vorbei.
MAYANK SHARMA, DPA