Der Königsmacher Ramelow? Wegen komplizierter Mehrheitsverhältnisse nach der Thüringen-Wahl könnte die Rolle des linken Noch-Ministerpräsidenten entscheidend sein. © Hartmann/AFP
Erfurt – Wird Deutschlands wohl bekanntester Linker als Königsmacher eines möglichen CDU-Ministerpräsidenten in Thüringen? In den ersten Tagen nach der Landtagswahl schießen alle möglichen Spekulationen über eine Rolle von Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) aus dem Boden. Denn die Wahl hat für extrem komplizierte Mehrheitsverhältnisse und eine Wahlsiegerin AfD gesorgt.
Eine von CDU-Chef Mario Voigt angepeilte Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der SPD hat 44 Stimmen im Landtag in Erfurt – bei 88 Sitzen ist das mindestens eine Stimme zu wenig.
Durch die Gänge im Thüringer Landtag wabert jetzt das Gerücht, Ramelow könnte in der von ihm immer betonten „staatsbürgerlichen Verantwortung“ aus der Linke-Faktion austreten und dem fragilen Bündnis seines potenziellen Nachfolgers als Mehrheitsbeschaffer dienen. Oder der 68-Jährige könnte sich als direkt gewählter Linken-Abgeordneter stets der Stimme enthalten.
Man spiegele „nur wider, was alles an abstrusen Vorstellungen im Raum ist“, heißt es hinter vorgehaltener Hand. „Es ist alles Quatsch, es ist alles Unsinn“, sagt dagegen ein erboster Ramelow dazu. „Es ist eine Unverschämtheit, Gerüchte zu streuen ohne Substanz.“
Er werde als Ministerpräsident der Linken und ihr Spitzenkandidat weder seine Partei oder Fraktion verlassen, noch als Person durch Stimmenthaltung oder andere Aktionen für Mehrheiten sorgen, sagte Ramelow. Und fügt hinzu: „Es wird aus der Linken-Fraktion auch sonst keiner wechseln.“ Er sei weder „Privatier noch eine Ich-AG“. Und er werde die parlamentarischen Regeln niemals mit Füßen treten.
Aber von ihm stammen auch interpretierbare Sätze. Vom „Spiegel“ darauf angesprochen, dass dem Bündnis der Konkurrenzparteien CDU, BSW und SPD eine Stimme zur Mehrheit fehlt, sagt er: „Eine Stimme sitzt vor Ihnen.“ Und immer wieder betont er nach der Erfahrung mit seiner rot-rot-grünen Minderheitskoalition, er könne niemanden eine Minderheitsregierung empfehlen. Noch am Wahlabend sagte er, er werde alles tun, dass es zu einer Mehrheitsregierung kommt. „Ich bin bereit zu Lösungen und beteilige mich nicht an Ausschließeritis.“
Ob das auch eine Tolerierung einer möglichen Dreier-Koalition unter CDU-Führung sein könnte, lässt der Linke-Politiker auf Nachfrage offen. Oder meint er mit Mehrheitsregierung gar eine mit Beteiligung seiner Linken, die zwölf Landtagssitze hat? Thüringens Linke-Chefin Ulrike Grosse-Röthig fordert immerhin ein Überdenken des Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU – dieser gilt aktuell für AfD und Linke gleichermaßen. Die CDU habe unter den demokratischen Parteien die meisten Sitze (23) erhalten und damit den Auftrag zur Regierungsbildung, findet Ramelow. Die Linke stehe zum Gespräch bereit, „wenn Herr Voigt anruft“.
Voigt will zunächst mit BSW und SPD sprechen, mit Ramelow wahrscheinlich vorerst nur über den Haushaltsentwurf für 2025. Der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland hält eine Koalition aus CDU, BSW und SPD für möglich. „Auf landespolitischer Ebene sind die politischen Unterschiede zwischen der CDU und der Wagenknecht-Partei nicht so gewaltig“, sagt er.
Auch in Sachsen ist dieses Bündnis nach der Landtagswahl eine Option und hat sogar schon einen Namen: die Brombeer-Koalition. Die Farben Schwarz (CDU), Lila (BSW) und Rot (SPD) stellen die unterschiedlichen Reifegrade einer Brombeere dar.
In Thüringen bleibt zunächst Ramelow als Ministerpräsident geschäftsführend – bis eine neue Regierung, wahrscheinlich Ende September, im Amt ist. Und Ramelow hat anders als Voigt und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke seinen Landtagswahlkreis direkt gewonnen und will sein Mandat wahrnehmen. Und im Koalitionspoker kann sich der erfahrene Politiker eine moderierende Rolle vorstellen.