Das Land ist so sehr mit Schimpfen über die Ampel beschäftigt, dass es gar nicht mehr mitbekommt, wenn einmal etwas Gutes beschlossen wird: In dieser Woche brachte die Regierung ihre Pläne auf den Weg, wie sie längeres Arbeiten attraktiver machen will. Ganz kurz gefasst: Wer länger arbeitet, kann sich danach entweder über eine satte Einmalzahlung zu Beginn des Ruhestands freuen oder bekommt dauerhaft mehr Rente.
Erstaunlich, wie wenig über diesen Plan diskutiert wird. Denn eigentlich markiert er einen echten Paradigmenwechsel: Bislang hatte die SPD (damals gemeinsam mit der Union) nur all jene subventioniert, die sich ab 63 zur Ruhe setzen wollten. In der öffentlichen Debatte bestand das ganze Land plötzlich aus abgekämpften Dachdeckern. Die Wirklichkeit ist freilich bunter: Viele, die sich dem Rentenalter nähern, sind noch äußerst rüstig. Manche haben sogar Lust, noch einmal etwas Neues auszuprobieren, wie die hohe Zahl an Seniorenstudenten beweist. Höchste Zeit also, dass der Staat den Arbeitswilligen das Arbeiten nicht nur ermöglicht, sondern auch noch Anreize setzt.
Natürlich bleibt abzuwarten, wie das Instrument wirkt und ob es angenommen wird. Aber dass das jetzige Modell im Angesicht des Fachkräftemangels und des nahenden Rentenbeginns der Babyboomer an seine Grenzen stoßen wird, steht ja außer Frage. Und da ist es doch viel besser, auf klug geförderte Freiwilligkeit zu setzen, als das Rentenalter per Gesetz zwangsweise für alle zu erhöhen. Mike.Schier@ovb.net