„Das könnte auch ich sein“: Markus Söder bestimmt die Schlagzeilen zur K-Frage. Friedrich Merz hält sich zurück. © AFP
München – Für einen, den es gar nicht nach Berlin drängt, hat Markus Söder eine Woche mit großem Mitteilungsbedürfnis hinter sich. „Ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, ließ er am Montag das Festzelt auf dem Gillamoos wissen. Später erklärte er im ZDF getreu der vereinbarten Sprachregelung, dass die beiden Parteivorsitzenden einen Vorschlag für den Kanzlerkandidaten der Union machen. Es gebe mehrere Kandidaten. „Das könnte auch ich sein.“ Und Merz natürlich.
Die Woche endet mit einem großen „Spiegel“-Interview des CSU-Vorsitzenden. Über mehrere Fragen hinweg beweist Söder seine Kunst, das eine zu sagen, aber das andere zu suggerieren. Gleich zu Beginn verkündet er beispielsweise: „Die CDU als größere Partei hat in der Regel den Vortritt.“ Um dann gleich nachzuschieben: „Aber wenn sie mich bittet, dann drücke ich mich nicht vor der Verantwortung.“ Kurz darauf beteuert Söder, es sei angesichts der krisenhaften Lage aktuell „kein Platz für Eitelkeiten oder für Egos“. Um dann klarzustellen: „Die CDU hat bei der Migrationspolitik eine komplette Wende vollzogen und CSU-Positionen übernommen.“ Und dass sich der Sachse Michael Kretschmer für Merz ausgesprochen habe? „So einen Satz sollte man im Eifer des Wahlkampfes nicht zu hoch hängen, Michael Kretschmer hat sich dafür sogar entschuldigt.“ Offenbar wurde der Satz also doch recht hoch gehängt.
Noch befindet sich die Union in der rhetorischen Frühphase bei der Klärung der K-Frage. Doch die Zweifel wachsen, ob es so friedlich ablaufen wird, wie es Merz und Söder derzeit immer betonen. Fakt ist erstens: Beide wollen. Zweitens: Merz hätte das Zugriffsrecht. Drittens: Es sieht nicht so aus, als habe Söder das schon akzeptiert. „Die Münchner Schmutzeleien sind zurück“, titelte bereits der Berliner „Tagesspiegel“. Dieses Wort hatte einst Horst Seehofer bei einer heute legendären Weihnachtsfeier für Söder kreiert – damals noch ein aufstrebender Landesminister. Inzwischen haben im Maximilianeum viele den Eindruck, Söder sei die Landespolitik zu klein geworden.
Rückenwind bekommt der CSU-Chef durch die Umfragen: Im ZDF-Politbarometer (Forschungsgruppe Wahlen) sehen 29 Prozent mit Söder die größten Chancen, 23 Prozent mit Merz. Unter den Unionsanhängern liegen jedoch beide fast gleichauf. Im ARD-Deutschlandtrend (Infratest dimap) ist die Lage eindeutiger: Ein guter Kanzlerkandidat für die Union zu sein, trauen Söder 41 Prozent zu, bei Merz sind es 23 Prozent. Hier liegt sogar NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (33 Prozent) klar vor Merz. Gegen Merz sprechen vor allem zwei Faktoren: Der Vorsprung Söders nimmt eher zu als ab. Und: 63 Prozent sehen in Merz keinen guten Kandidaten. Bei den Wechselwählern hätte der CDU-Chef also viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Söder verfolgt das genau. Nicht zufällig erwähnt er die Erhebungen gerne und zieht auch den Vergleich zur letzten Wahl, als er Armin Laschet den Vortritt lassen musste. Im „Spiegel“ klingt das so: „Viele, gerade in der CDU, waren nicht überzeugt von ihrem Kandidaten und wollten eine Alternative. Die Bevölkerung sah das genauso. Wir kennen am Ende das Ergebnis.“
In der CDU beobachten sie aufmerksam, wie Söder sich immer häufiger zu Wort meldet – und dabei ganz anders klingt als vor der Landtagswahl im vergangenen Herbst. Im Mai 2023 saß Söder beispielsweise bei Markus Lanz und nannte Merz den „geborenen Kandidaten“. Eigene Ambitionen stritt er komplett ab: „Für mich ist das Thema erledigt.“ Und wenn ihm die CDU ein Angebot mache? „Mal abgesehen davon, dass es nicht kommt: Ich stehe da nicht zur Verfügung.“ Lanz reagierte damals schon skeptisch: „Ein Söder, ein Wort. Wir schauen, wie lange es hält.“
MIKE SCHIER