Heute ein rechter römischer Bruder als Kommissar, morgen Höcke als Ministerpräsident? Die schrillen, nur teilweise berechtigten Rechtsruck-Warnungen rühren zusammen, was nicht zusammengehört. Den Italiener Raffaele Fitto von den „Fratelli d‘Italia“ zum herausgehobenen EU-Kommissar zu machen, ist kein krasser Tabubruch, sondern ein Ausfluss der ausgleichenden Kompromissmaschine in Brüssel. Fitto selbst steht den Christdemokraten und Liberalen näher als den meisten Rechtspopulisten. Seine römischen Fratelli sind nicht über alle Zweifel erhaben, aber haben in Brüssel bisher einen pragmatischen, konservativen Kurs gehalten. Zentraler Beleg: Ihre Fraktion verhalf dem EU-Asylkompromiss im Frühjahr zur knappen Mehrheit, statt ein Scheitern des Pakts und damit ein Versagen der EU im damals laufenden Wahlkampf auszuschlachten. Deutsche (bayerische) Sozialdemokraten konnten dafür in ideologischer Verbissenheit gegen die Migrationsregeln stimmen.
Die Polit-Lage in Brüssel ist fragmentierter als in Berlin. Rechts der Christdemokraten gibt es da besonnene, proeuropäische (und proukrainische) Konservative, die nicht Teil jener extremen, radikalisierten Suppe sind, in der die AfD mitschwimmt. Es war und ist richtig, vernünftige Rechtskonservative im demokratischen Spektrum zu binden – am besten in der EVP-Parteienfamilie, zumindest aber als Teil einer Gestaltungsmehrheit im EU-Parlament. Sie werden auch zahlenmäßig gebraucht bei Mehrheiten für Inhalte, die nicht zu stark rot und grün dominiert sind. Von Fitto mag und muss sich nicht jeder Europäer repräsentiert fühlen. Aber das komplizierte, veraltete System zur Auswahl der Kommissare hat schon komischere Personalien hervorgebracht als diese. Christian.Deutschlaender@ovb.net