Asyl-Clinch im Bundestag

von Redaktion

Am Tag nach dem geplatzten Migrations-Treffen zwischen Ampel und Union treffen Kanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag aufeinander. Es kommt zum ungewöhnlich scharfen und persönlichen Schlagabtausch zwischen den beiden möglichen Kanzlerkandidaten.

Gereizter Kanzler: Olaf Scholz (SPD) wirft CDU-Chef Friedrich Merz in für ihn ungewöhnlich angriffslustigem Ton eine „Theaterauführung“ vor. © Kay Nietfeld/dpa

Berlin/München – Für seine Verhältnisse tobt der Kanzler. „Sie sind der Typ von Politiker, der glaubt, mit einem Interview in der ,Bild am Sonntag‘ hätte er schon die Migrationsfrage gelöst“, ruft er CDU-Chef Friedrich Merz zu. Doch kaum habe der die Redaktionsräume verlassen, habe er schon wieder vergessen, was er vorgeschlagen habe. „Weil Sie niemals vorhatten, sich darum zu kümmern“, behauptet Olaf Scholz. Die Ampel-Regierung habe das beendet, was Scholz „das große Sprücheklopfen“ von vergangenen Bundesinnenministern aus CDU und CSU nennt. „Sie können es nicht“, sagt Scholz. Erst seine Regierung habe das Problem der irregulären Migration wirksam angepackt, habe die Zahl sicherer Herkunftsländer erweitert, Grenzkontrollen eingeführt und trotz aller Schwierigkeiten Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglicht. Und am Dienstag, als er man mit der Union den nächsten Schritt habe tun wollen, da hätten CDU und CSU das Migrationstreffen aus taktischem Kalkül platzen lassen. Die Union habe nach ihrem eigenen Drehbuch gehandelt, der Regierung zunächst die Hand zu reichen und sie dann auszuschlagen, weil die Regierung angeblich zu wenig tue. Doch eine „Theateraufführung“ oder „Schlammschlacht“ wollten die Bürger nicht. „Sie haben sich in die Büsche geschlagen“, wirft Scholz Merz vor. Seine Tür stehe CDU und CSU aber weiter offen.

Der CDU-Chef sitzt mit tief verschränkten Armen in der ersten Reihe, den Blick demonstrativ vom Kanzler abgewandt. Merz hat selbst noch nicht gesprochen, obwohl ihm als Chef der größten Oppositionspartei eigentlich der erste Redebeitrag bei der Generaldebatte im Bundestag zusteht. Doch er hat den ersten Auftritt CSU-Landesgruppenschef Alexander Dobrindt überlassen, der Scholz dabei attestierte, dem Kanzler sei der „Wumms“ abhandengekommen. So ist Merz (nach AfD, Grünen und FDP) erst als zweiter Unionsredner dran – kann aber auf den Kanzler antworten.

Merz beginnt in betont ruhigem Ton, kommt dann aber bald wieder auf die Forderung der Union nach umfassenden Zurückweisungen an den Grenzen zurück. Hinter dieser Notwendigkeit sei die Bundesregierung in ihren Vorschlägen weit zurückgeblieben. Angesichts dessen werde man sich nicht „in eine Endlosschleife von Gesprächen“ mit der Ampel begeben. Denn, so macht Merz klar – die Ampel könne das, was sie vorhabe, mit ihren eigenen Stimmen beschließen: „Sie brauchen uns nicht für diese Entscheidung.“

Dann spricht Merz den Kanzler persönlich an. Dessen Behauptung, das Scheitern der Gespräche sei eine von der Union vorbereitete „Inszenierung“ gewesen, sei „infam“. Scholz rollt nur mit den Augen.

Vergleichsweise versöhnlich ist da der Auftritt von FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Er ruft die Union zur Zusammenarbeit mit der Ampel auf. Schon im Gespräch am Dienstag hätten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) angeboten, zusätzlich zu den von der Ampel vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Union zuzugehen und „trotz der allgemein anerkannten rechtlichen Unsicherheit auch einfache Zurückweisungen an der Grenze durchzuführen“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, hatte nach den Beratungen in Berlin erklärt, die Regierungsparteien hätten „keinen Vorschlag unterbreitet, der tatsächlich zu Zurückweisungen an der Grenze über das bisher übliche Maß hinaus führt“.

Bereits im Vorfeld der Bundestagsdebatte hatte sich Christian Lindner (FDP) für einen neuen Anlauf auf höchster Ebene ausgesprochen. Scholz und Merz sollten mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und ihm selbst persönlich verhandeln, schlug Lindner vor. „Die Absage der Union an den Asylgipfel darf nicht das letzte Wort sein.“

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