Eine so temperamentvolle Generaldebatte wie gestern hat der Deutsche Bundestag lange nicht mehr erlebt. So kämpferisch wie im Nahkampf mit dem Oppositionsführer hätte die SPD ihren Kanzler in den vergangenen drei Jahren gerne öfter gesehen. Doch am wichtigsten: Die Debatte über das Mega-Thema Migration ist endlich da, wo sie hingehört – in der politischen Mitte. Denn die jahrelang verfolgte Strategie, die Kritik an der Asylpolitik den politischen Rändern zu überlassen, ist krachend gescheitert. Erst das diskursive Versagen von CDU und CSU aus Angst vor dem weiter einflussreichen Merkelflügel hat die rechtsradikale AfD zu einer bestimmenden Kraft in Deutschland werden lassen.
Mag der Kanzler auch über die „Provinzbühnenschauspielerei“ des CDU-Chefs nach dem Scheitern des Asylgipfels schimpfen: Der Erfolg gibt Friedrich Merz recht. Seit er nach dem Messerterror von Solingen die Ausländerpolitik in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt hat und ungeachtet möglicher Probleme mit der EU auf konsequente Zurückweisungen an den Grenzen pocht, legt die Union in den Umfragen wieder deutlich zu, wird sie von vielen Wählern wieder als demokratische Alternative und nicht nur als Variante wahrgenommen. Auf die zuletzt in Umfragen gemessenen 33 Prozent waren CDU und CSU zuletzt im März 2021 gekommen. Das war vor dem verheerenden Bruderkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder und knapp ein Jahr, bevor Merz im Januar 2022 die CDU-Führung übernahm. Zu diesem Zeitpunkt stand die Union bei gerade noch 24 Prozent.
Die Ampel gibt es noch, doch war ihr Zerfallsprozess gestern auch im Bundestag zu besichtigen, etwa wenn der FDP-Generalsekretär Djir-Sarai und andere Liberale dem CDU-Chef demonstrativ applaudierten, obwohl dieser der FDP kürzlich attestiert hatte, „auf dem Sterbebett“ zu liegen – ein mit Blick auf eine neueste Umfrage, die die Partei nur noch bei drei Prozent misst, fraglos richtiger Befund. Die Frage ist, was die FDP damit anstellt. Ihre Wähler neigen mehrheitlich stark der Asyllinie von Merz zu. Parteichef Christian Lindner fordert mit schönen Grüßen an die Ampeldamen Nancy Faeser und Annalena Baerbock, eine Männerrunde aus dem Kanzler, Merz, Habeck und ihm selbst solle einen Asylkompromiss ohne die beiden rotgrünen Bremserinnen finden. Das verrät die Zerrissenheit und die Verzweiflung, in der sich die Partei befindet. Besser wäre es gewesen, wenn Lindner beizeiten den Mut zur Beendigung der glücklosen Ampel aufgebracht hätte. Jetzt beendet wohl der Wähler die FDP. Georg.Anastasiadis@ovb.net