Cowboys ohne Colt

von Redaktion

High Noon in der Union: Es kann nur einen geben als Kanzlerkandidaten. Wird ein Duell fällig zwischen Markus Söder und Friedrich Merz? Kurz vor der Entscheidung erlaubt sich der CSU-Chef einen kuriosen Auftritt als Cowboy. Keine Sorge: ohne rauchenden Colt, den braucht es nicht diesmal.

Auftritt im Saloon: Markus Söder beim Gästebuch-Eintrag für den Verein.

„Wie früher der Wilde Westen“: Markus Söder beim Cowboy-Club München von 1913. © cd

München – Ernst blicken die ausgestopften Bisons auf den Cowboy, der breitbeinig in den Longhorn-Saloon stapft. Es gelten strenge Regeln hier, auch er hat sich daran zu halten. „Nicht auf den Boden oder die Wände spucken“, verkünden Warnschilder. „Nicht auf den Klavierspieler schießen“, so schlecht er auch spielt. Der Rest ist erlaubt, es ist ja Wilder Westen hier. Markus Söder zieht seinen pechschwarzen Hut tief in die Stirn, schlendert rüber zu den Spielern am Pokertisch, dann auf ein paar Worte an die Whiskey-Bar. Oh, es gefällt ihm hier.

Was für ein Auftritt, welch Kulisse: Diese Woche besucht der Ministerpräsident den Cowboy-Club München, der im Münchner Süden ein Westerndorf aufgebaut hat. Eine Parallelwelt begeisterter Ehrenamtler: In Kleinarbeit und ohne Kommerzinteresse lassen sie direkt an der Isar ein Stück Wilder Westen wiederauferstehen; seit 1913, der älteste solche Verein in Europa. Mit Zelten, Pferden, Hütten, Lagerfeuer. Und jetzt mit Söder. „Ich bin hier der Sheriff“, begrüßt ihn einer stolz. Söders Replik: „Ich bin der Marshall von Bayern.“

Marshall, Cowboy, Pistolero, was auch immer – natürlich denkt die ganze Republik bei diesen Bildern nur ans große Duell in der Union. An das „Dieses Kanzleramt ist zu klein für uns beide“-Problem zwischen den Parteichefs Söder (CSU) und Friedrich Merz (CDU). In diesen Tagen wollen sie entscheiden, wer Kandidat wird, spätestens nach, vielleicht aber auch schon vor der Landtagswahl in Brandenburg in neun Tagen. Söder hat zuletzt ein paar Mal, um im Bild zu bleiben, in die Luft geschossen. Auf dem Gillamoos verkündete er, er stehe bereit, wenn man ihn rufe. Per „Spiegel“-Interview wiederholte er das. Nie konfrontativ gegen Merz, immer mit dem Versprechen, man werde sich einigen. Der Subtext aber: Falls die CDU statt Merz den in Umfragen etwas populäreren Kandidaten will, müsse man ihn nur rufen.

Der Cowboy-Termin würde jetzt perfekt passen für Söder, um es nochmal ein bisschen knallen zu lassen, oder wenigstens schnalzen. In der Western-Welt ist er sattelfest, kann minutenlang über Gewehre, Helden und Halunken fachsimpeln. Und vieldeutige Sätze beherrscht eh keiner in der deutschen Politik so wie er. Im Saloon und auf dem staubigen Dorfplatz belässt es Söder aber bei ein paar Andeutungen. „Der tiefe Süden ist wie früher der Wilde Westen“, sinniert er, schwärmt vom Freiheitsdrang, der sich „nicht unterdrücken lässt von Berlin“. Ja, und ein guter Cowboy „muss Hartnäckigkeit haben, allen Widrigkeiten zu trotzen, muss seine Heimat lieben, aber bereit sein, sich auf neue Dinge einzulassen“.

Das versteht schon jeder – eine Kampfansage, rauchender Colt, ist das aber nicht. Bewusst nicht. In der CSU haben sie genau registriert, was aus der CDU nach Söders mehrfachem „Ruft mich halt“ kam: nichts. Keiner rief. Merz murmelte etwas von „kein Neuigkeitswert“. Stattdessen wird in der CSU erzählt, dass mehrere führende Köpfe eindringlich davor warnen, die Sache auf die Spitze zu treiben. „Merz wird‘s. Punkt“, sagt selbst einer der Söder-Loyalsten. Andere, auch Altgediente, ließen dem Parteichef ausrichten, es keinesfalls auf eine Konfrontation wie 2021 mit Armin Laschet ankommen zu lassen, die keinen Sieger hinterließ. Merz sei viel stärker als Laschet, sitze als Partei- und eben auch Fraktionschef fest im Sattel.

Söder wirkt zumindest in den letzten Tagen so, als habe er das vernommen. Er lädt nicht nach. Kein Interview diese Woche, keine Spitzen. Die Botschaften sind gesetzt, auch jene, dass er sich keinesfalls in ein Kabinett Merz einfügen würde. Derzeit sieht es so aus, als würde er Merz recht bald die Kandidatur überlassen, eine Entscheidung aus seiner Sicht auf Augenhöhe; beide sahen sich gestern in Berlin. Im Gegenzug wird es, streng vertraulich, Absprachen geben, was der CSU in der nächsten Regierung oder vielleicht sogar im Präsidialamt an Posten zusteht.

Also eher Poker als Pistolenduell. Vielleicht zwei glorreiche Halunken. Am Ausgang des Cowboy-Clubs gibt Söder den geliehenen Hut zurück, sattelt seine BMW-Kolonne und ruft dem Vereinschef zu: „War mir eine Ehre.“

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