FDP: Warten auf den finalen Knacks

von Redaktion

Atomausstieg, Schuldenbremse, jetzt die Migrationspolitik: Immer neue Gräben durchziehen die Ampel und trennen die FDP von SPD und Grünen. Intern gilt die Landtagswahl in Brandenburg als eine entscheidende Wegmarke. Eine weitere Zuspitzung blieb der Koalition gestern erspart.

Die Grenzen verschwimmen zwischen Ampel und Opposition: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (l.) mit CDU-Chef Friedrich Merz (r.) und Fraktionsvize Jens Spahn. © afp/John Macdougall

München – Die Drucksache 20/12835 ist nicht sehr lang, aber explosiv. Auf anderthalb Seiten brachte die Unionsfraktion im Bundestag gestern den Antrag auf umfassende Zurückweisungen von Flüchtlingen an der deutschen Grenze ein. Überraschend kam der Schritt nicht, die Haltung von CDU/CSU ist bekannt. Spannend wäre nun gewesen zu erfahren, wie die einzelnen Regierungsparteien dazu stehen, doch dazu kam es nicht. Mit den Stimmen der Koalition und der Linken wurde der Antrag in die Ausschüsse verwiesen.

Dass die Ampel in dieser Frage geschlossen votierte, ist eine Erwähnung wert. Selbstverständlich war das nicht, gemessen an den Ankündigungen aus den Reihen der FDP. Deren Parteivize Wolfgang Kubicki hatte nach dem gescheiterten Migrationsgipfel am Dienstag die Union eigens dazu aufgefordert, einen solchen Antrag zu stellen. Die Freien Demokraten seien bereit, „die Vorschläge trotz rechtlicher Bedenken in gemeinsamer Verantwortung für unser Land umzusetzen“.

Das ist so provokant wie folgerichtig. Die Migrationspolitik markiert nur den neuesten von etlichen Gräben, die die Koalition durchziehen und die Liberalen von den Partnern SPD und Grüne trennen. Viele Freidemokraten machen längst kein Hehl mehr aus ihrer Befürchtung, im konfliktbeladenen Bündnis mit den beiden linken Partnern aufgerieben zu werden. Passend dazu erschien gestern eine Ipsos-Umfrage, die die FDP bundesweit bei vier Prozent sieht.

Dem Thema Zurückweisungen könnte da eine fast schon existenzentscheidende Bedeutung zukommen: der eine Streit zu viel. Hans-Ulrich Rülke, FDP-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, mahnte seine Partei, die Frage „auf Bundesebene zeitnah abzustimmen und durchzusetzen“ – mit dem ausdrücklichen Hinweis: „Auch wenn es zur Schicksalsfrage der Bundesregierung wird.“

Solch drastische Ansagen hat man aus der FDP oft gehört, in der Regel ist Kubicki der Wortführer. Aber auch besonnenere Vertreter weisen inzwischen darauf hin, dass ein zermürbendes viertes Jahr in der Ampel fatal sein könnte und es das geringere Übel sei, ein Ende mit Schrecken anzustreben. Die Frage ist, was den finalen Knacks auslösen würde.

Intern wird auf den 22. September und die Wahl in Brandenburg verwiesen. Dort haben es die Liberalen, wie überall im Osten, traditionell schwer und gehören dem Landtag seit elf Jahren nicht mehr an. Ein erneutes Scheitern, das sich aufgrund der Umfrageergebnisse bereits abzeichnet, dürfte der aufgeheizten Debatte um die Zukunft der Ampel weitere, womöglich entscheidende Dynamik verleihen.

Dass für die FDP die Konturen zwischen Partnern und Gegnern zunehmend verwischen, zeigte sich beispielhaft bei der Generaldebatte im Bundestag. Da applaudierte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem CDU-Chef Friedrich Merz, der die Ampel auseinandernahm und für rigorose Zurückweisungen plädierte. In der „Bild“ legte Djir-Sarai in Richtung der Union nach, man sei „nach wie vor bereit, ihre Vorschläge gemeinsam umzusetzen“. Laut „Spiegel“ kam von SPD und FDP auch das Angebot, in einem Pilotprojekt die geforderten Zurückweisungen durchzuführen und auf ihre juristische Machbarkeit hin zu prüfen. Die Union lehnte zunächst ab, sie empfand das Angebot als nicht ernst gemeint.

So bleibt das Thema ebenso in der Schwebe wie die ganze fragile Ampel. Dass die Union mit ihrem Antrag gestern nicht Gehör fand, bedauerte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei dann auch nicht nur wegen der Situation an den Grenzen. Er hätte gerne auch gesehen, wo die Grenzen in der Koalition verlaufen: „Damit hätte die FDP die Gelegenheit bekommen, den Worten Taten folgen zu lassen.“

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