Heimlicher Kanzler, unheimlicher Vizekanzler? Friedrich Merz und Markus Söder, hier 2023 bei einem Treffen in München. © Astrid Schmidhuber
Berlin/München – Am Wochenende hat Markus Söder das getan, was von Ministerpräsidenten gemeinhin erwartet wird: Er hat sich um Land und Leute gekümmert. Feuerwehrfest in Augsburg, Stadtjubiläum in Freising, dazwischen Arbeit an der Grundsatzrede zur CSU-Fraktionsklausur nächste Woche. Alltag also, und für alles andere aus Berlin haben er und seine Leute diesmal nur ein müdes Achselzucken übrig. K-Frage angeblich entschieden? Friedrich Merz wird Kanzler, Söder nix? „Nichts ist entschieden, solange es nicht beschlossen ist“, ist die Sprachregelung, die aus allen Ecken der CSU zu hören ist.
Es sind jene nervösen Zucker, die in der Union vor der tatsächlichen Kanzlerkandidatur-Entscheidung zu befürchten waren. Nach mehreren Söder-Andeutungen, er könnte/wollte/würde schon auch, wird nun über „Bild am Sonntag“ ein Plan der CDU gespielt, wie Merz sich die Kandidatur greifen werde. Kurzfassung: Am Tag nach der Brandenburg-Wahl, also am Montag, sollen die Parteigremien von CDU und CSU bei ihren turnusgemäßen Sitzungen beraten. In den Tagen bis spätestens 3. Oktober soll Merz seine Kandidatur verkünden. Und dann in zwei internationalen Reisen als Kanzlerkandidat die wichtigsten Nachbarländer Frankreich und Polen besuchen; die dort Regierenden Emmanuel Macron und Donald Tusk wollen ihn wohl empfangen.
Ein wahrscheinliches Szenario. Von Merz und seinen Leuten ist seit Monaten zu hören, dass er die Entscheidung präzise durchdenkt und vorbereitet. Ihm sei klar, dass er als Kandidat sofort durchstarten müsse. Er wisse, dass dann bald eine Welle an kritischer Berichterstattung, etwa über die Vergangenheit als Fonds-Manager, einsetze. Und er wisse mit dem Druck umzugehen. Wenn Merz will, muss er also nur zugreifen – das ist Konsens bei CDU und CSU. Nur falls er nicht wolle, wäre Söder dran.
Merz hat zuletzt überdeutlich mit seinen Auftritten im Bundestag und sogar mit der Ankündigung von vorgezogenen Koalitionssondierungen klargemacht, dass er sich das Amt zutraut. In der CDU sitzt der 68-Jährige fest im Sattel, führt Partei wie Fraktion unumstritten, hat auch bei CSUlern große Unterstützung – in Berlin, aber auch in Oberbayern, wo Merz (Zweitwohnsitz Tegernsee; Autokennzeichen Miesbach) viel Zeit verbringt. Das Gespräch mit Söder hat aber offenbar nicht stattgefunden. Mindestens eine Gelegenheit gab es letzte Woche, als Merz, Söder und auch NRW-Regent Hendrik Wüst in Berlin bei einem Medienfest aufeinandertrafen.
Termindruck? Noch nicht. Von „September/Oktober“ sprechen viele. Es dürfte nun schnell gehen: Vielleicht noch ein paar Debatten und Andeutungen rund um die CSU-Klausur diese Woche in Banz, aber keine Hängepartie bis zum CSU-Parteitag am 11./12. Oktober in Augsburg. „Bald“, sagt Merz auf Nachfragen nach dem Termin. Die Union zögere nicht. „Sondern wir haben einen festen Fahrplan. Und an diesen Fahrplan werden wir uns halten.“ Man werde die CDU-Landesvorsitzenden und den ebenfalls mal gehandelten Wüst einbeziehen, ergänzen Parteikreise.
Söder (57) würde derzeit wohl nicht als Verlierer dastehen. Zwar führten auch seine zeitweise intensiven Andeutungen nicht dazu, dass er aus der CDU gerufen worden wäre. Er könne sich zumindest nun in eine Rolle als „Königsmacher“ bringen, erinnert die „FAZ“: also Merz vorschlagen, bevor dieser sich selbst ausrufe. Noch könne das wie eine souveräne Entscheidung aussehen. Söder, der ein harter Verhandler ist, könnte gleichzeitig einiges an Posten-Zusagen in einem künftigen Kabinett herausholen. Ein weiteres Druckmittel: Merz braucht 2025 den motivierten Wahlkämpfer Söder und ein starkes CSU-Ergebnis.
Die „Bild“ orakelt, Söder könne dann als Chef des Koalitionspartners CSU von München aus „heimlicher Vizekanzler“ neben Merz sein. Das würde ihm Einfluss auf alle Sachfragen geben. Und eine Rolle als Reserve, sollte Merz ausfallen oder scheitern. Hier ist allerdings auch Wüst noch eine Option. Der 49-Jährige gilt vielen Christdemokraten als Kronprinz, sollte Merz nach vier Kanzler-Jahren aufhören.