Auf den ersten Blick kommt einem die Situation sehr bekannt vor: Die FDP steuert – wie schon so oft – auch in Brandenburg auf ein verheerendes Wahlergebnis zu. Im Bund zeigen die Umfragen weiter nach unten. Und mit den Kollegen in der Koalition, allen voran den Grünen, hadert man sowieso. Und doch ist etwas anders: Es liegt etwas Revolutionäres in der Luft. Lassen die Liberalen die Koalition in der nächsten Woche platzen?
Seriös beantworten kann das, Stand heute, niemand. Aber inzwischen greift unter Liberalen die nackte Panik um sich. Man kann das am bayerischen Vorsitzenden Martin Hagen beobachten, der zwar nie ein Fan der Ampel war, aber stets zu ihr stand. Nun sagt er Sätze wie: „Wenn die Grünen zu notwendigen Maßnahmen nicht bereit sind, dann braucht Deutschland eben eine andere Regierung.“ Und Generalsekretär Bijan Djir-Sarai klingt gar nicht so anders, wenn er sagt: „Niemand darf in der jetzigen Situation eine Wende in der Migrationspolitik blockieren.“
Schon länger hatte man bei den Liberalen überlegt, ob man das ungeliebte Bündnis an einem Streitthema zerbrechen lässt. Das Risiko ist hoch, der Wähler goutiert die Flucht aus der Regierung nicht, selbst wenn er die Regierung nicht mag. Der Streit um die Schuldenbremse schien da als Eskalationsgrund nicht wuchtig genug, der normale Bürger begleitet die Feinheiten der Haushaltspolitik weit weniger emotional als der Bundesfinanzminister. Ganz anders nun beim Thema Migration: Die Debatte ist parteiübergreifend aufgewühlt, drei Viertel der Bevölkerung wollen eine neue Politik. Diesmal könnten die Liberalen profitieren, wenn sie sich gegen die Grünen stellen.
Zumal: In fast allen Umfragen liegen die Liberalen inzwischen unter fünf Prozent, laut Forsa sogar nur noch bei drei. Das Risiko für einen radikalen Schritt aus der Koalition sinkt damit täglich. Es wächst allerdings für den Vorsitzenden Christian Lindner, der aufpassen muss, bei allzu langem Festhalten an der Ampel nicht mit ihr in die Geschichtsbücher einzugehen.
MIKE.SCHIER@OVB.NET