Unter Druck: Secret-Service-Direktor Ronald Rowe jr. muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen. © AFP
Washington – Der zweite Attentatsversuch auf Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat in kurzer Zeit eine politische Dimension erreicht, die vor allem für den amtierenden Präsidenten Joe Biden und die Demokraten-Spitzenkandidatin Kamala Harris unbequem ist. Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, warf Biden und Harris vor, an der Gefährdung des Lebens von Trump Schuld zu tragen. Zwar hatte der festgenommene Attentäter keinen Schuss abfeuern können, weil Trump auf dem Golfplatz in Mar-a-Lago für ihn noch nicht in Sichtweite war. Doch nachdem der Verdächtige Polizeiangaben zufolge rund zwölf Stunden im Gebüsch gewartet hatte, war die Chance für ein Abfeuern seines Gewehrs mit Zielfernrohr offenbar nur eine Sache von Minuten.
Dieser Vorgang ist für das Weiße Haus vor allem deshalb eine Belastung, weil Biden nach dem ersten Attentat auf Trump im Bundesstaat Pennsylvania einen verstärkten Schutz für seinen damaligen Kontrahenten angeordnet hatte. Doch am Montag ließ der für den Bezirk zuständige Sheriff durchblicken, Trump habe nur die „Standard-Bewachung“ für Präsidentschaftsbewerber erhalten. Eine besondere Gefährdung war dabei offensichtlich nicht ins Kalkül genommen worden. Die Frage ist nun, ob der Secret Service – der ein Vordringen des Attentäters bis auf 150 Meter Nähe zuließ und diesen dann lange Zeit nicht ortete – den Anweisungen Bidens nicht gefolgt ist. Der derzeitige Secret Service-Direktor Ronald Rowe jr. war am Montag nach Mar-a-Lago geeilt und hatte dort vor Medienvertretern betont, es seien bereits „neue“ Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt worden. Warum es dennoch zu der gefährlichen Panne kam, wollte oder konnte Rowe bisher nicht erklären.
Schlimmeres war am Sonntag nur verhindert worden, weil ein Bodyguard – der die Umgebung des Golf spielenden Republikaners absichern sollte – einen Gewehrlauf aus einem Gebüsch ragen sah. Der später festgenommene Ryan Routh antwortete auf die Frage der Cops, ob er den Grund seiner Festnahme kenne, mit „Ja“: Danach verweigerte er die Aussage. In dem Gebüsch waren unter anderem ein Schnellfeuergewehr mit Zielfernrohr, zwei Rucksäcke, das Handy des Verdächtigen sowie Keramikplatten gefunden worden, die gerne für schussfeste Westen benutzt werden. Zwei der ungeklärten und hoch brisanten Fragen formulierte am Montag Sheriff William Snyder: „Wie schafft es ein Ortsfremder mit einem Gewehr zum Golfplatz? Und woher wusste er, dass Trump dort spielen würde?“ Im offiziellen Terminkalender des Kandidaten, der auch Medienvertretern zur Verfügung gestellt wird, war der Golf-Nachmittag jedenfalls nicht aufgeführt.
FRIEDEMANN DIEDERICHS