Nicht immer geht es bei der EU so herzlich zu: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (l.) mit Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. © afp/frederick Florin
Straßburg – Nach wochenlangen Spekulationen über die Zusammensetzung der nächsten EU-Kommission hat Ursula von der Leyen das Team für ihre zweite Amtszeit als Präsidentin der mächtigen Brüsseler Behörde vorgestellt. Thematisch setzt sie dabei vor allem auf Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit, weniger auf Klimaschutz. Brisant ist eine Personalie: Mit Raffaele Fitto soll zum ersten Mal ein Politiker der rechten italienischen Partei Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens) zu einem der Vizepräsidenten der EU-Kommission ernannt werden.
Vor fünf Jahren war der Fokus klar: „Das letzte Mal war das Thema der globalen Erwärmung absolut top“, sagte von der Leyen. Das Thema sei mit Blick auf Waldbrände und Überschwemmungen immer noch dominant. „Aber dieses Mal hat zum Beispiel das Thema Sicherheit, ausgelöst durch den russischen Krieg in der Ukraine, aber auch das Thema Wettbewerbsfähigkeit viel mehr Einfluss“ auf die Organisation ihres Teams.
Das zeigt sich auch an dem neu geschaffenen Posten des Verteidigungskommissars. Besetzen soll ihn Litauens Ex-Premierminister Andrius Kubilius – und damit jemand aus einem Land, das an Russland grenzt. Der Posten kommt mit einigen Herausforderungen. Pläne, einen Binnenmarkt für die Rüstung zu schaffen, stoßen oft auf Gegenwind – vor allem von Ländern, die dadurch benachteiligt wären. Kubilius, der zweimal litauischer Ministerpräsident war, ist seit 2019 Abgeordneter im EU-Parlament.
Vor einer großen Aufgabe steht auch der bisherige österreichische Finanzminister Magnus Brunner. Er erhält die Zuständigkeit für Migration und ist damit für die Umsetzung der Asylreform verantwortlich.
Das neue Amt Fittos birgt ein politisches Risiko für von der Leyen
Die EU-Kommission mit einem Apparat von rund 32 000 Mitarbeitern schlägt Gesetze für die Staatengemeinschaft vor und überwacht die Einhaltung des EU-Rechts. Alle 27 EU-Staaten durften mindestens eine Kandidatin und einen Kandidaten nominieren. Die Deutsche von der Leyen steht an der Spitze der Behörde, daher gibt es keinen zusätzlichen deutschen Kommissar.
Ein Name unter ihren Kandidaten sorgte bereits vor der Vorstellung für Stirnrunzeln. Der Italiener Fitto war bislang Europaminister in der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und soll nun einer der Vizepräsidenten und Kommissar für Kohäsion und Reformen werden. Damit wäre er unter anderem für den Europäischen Sozialfonds und einen Fonds für regionale Entwicklung verantwortlich.
Die Ernennung Fittos birgt ein politisches Risiko für von der Leyen, da die designierten Kommissare noch von den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments angehört werden müssen. Einzelne Personen könnten noch ausgetauscht werden, bevor das Plenum letztlich über das gesamte Personalpaket abstimmt. Fitto gilt als umstritten, weil er der rechten Partei Melonis angehört. Grüne, SPD und Linke im Europaparlament kritisierten von der Leyen umgehend für ihre Entscheidung. „Ursula von der Leyen belohnt Rechtsnationale“, teilte etwa der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, René Repasi, mit. Doch es gibt auch andere Stimmen. In Brüssel gilt Fitto bei vielen auch als gemäßigt und vor allem proeuropäisch.
Von der Leyen besetzt viele der Spitzenpositionen in ihrem neuen Kommissionsteam mit Frauen. Vier der insgesamt sechs Vizepräsidenten sind weiblich. Ihr angestrebtes Ziel einer Parität der Geschlechter verfehlt von der Leyen dennoch. Der neuen Kommission würden 40 Prozent Frauen und 60 Prozent Männer angehören, erklärte sie. Dabei hatten die Staats- und Regierungschefs laut von der Leyen ursprünglich fast 80 Prozent Männer vorgeschlagen. Einer der künftigen Männer ist wohl der geschäftsführende Außenminister Stéphane Séjourné aus Frankreich. Er soll das begehrte Industrie-Ressort erhalten.