Gleiche Richtung? Boris Pistorius und Olaf Scholz. © dpa
Berlin/Potsdam – Bundeskanzler Olaf Scholz ist weit weg, wenn am Sonntag in den Berliner Parteizentralen die ersten Prognosen zur Wahl in Brandenburg über die Bildschirme rauschen. Bei ihm wird es dann 12 Uhr mittags sein. High Noon. Der SPD-Politiker nimmt am Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen in New York teil, zu dem alle 193 Mitgliedstaaten eingeladen sind. Deutschland und Namibia sind Gastgeber der seit mehr als einem Jahr terminierten Veranstaltung, da darf der deutsche Regierungschef nicht fehlen.
Vielleicht ist es dem Kanzler aber sogar ganz recht, sich die Wahlergebnisse erst einmal aus sicherer Entfernung anzuschauen. Denn Scholz kann bei dieser Wahl eigentlich nichts gewinnen. Sollte Ministerpräsident Dietmar Woidke sein Ziel erreichen, also die SPD doch noch zur stärksten Partei vor der zurzeit in den Umfragen führenden AfD machen, dann wird es heißen: Er hat das nur geschafft, weil er konsequent auf die Wahlkampfhilfe des Kanzlers verzichtet und sich in der Migrationsdebatte sogar gegen die SPD-geführte Bundes-Ampel positioniert hat. Sollte Woidke nur auf Platz zwei landen und dann wie ankündigt die Regierungsbildung jemand anderem aus der SPD überlassen, wird man wieder einmal Scholz und seine zerstrittene Regierung dafür verantwortlich machen.
Spätestens seit den verheerenden Ergebnissen der SPD bei der Europawahl sowie bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen gilt der Kanzler als angezählt. Seine persönlichen Umfragewerte sind seit Monaten tief im Keller. Im ZDF-Politbarometer bewerten 65 Prozent seine Arbeit als eher schlecht. Die SPD liegt in den Umfragen zur Bundestagswahl bei dürftigen 14 bis 16 Prozent, die CDU/CSU kommt stabil auf mehr als das Doppelte. Dass der Unmut sich noch nicht Bahn gebrochen hat, ist vor allem der Rücksicht auf den Wahlkampf in Brandenburg geschuldet.
Allerdings hat mit Franz Müntefering nun ausgerechnet der beliebteste noch lebende Ex-Parteichef kürzlich ausgesprochen, was so mancher in der SPD denkt: Die Frage der Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl sei offen, sagte er dem „Tagesspiegel“. Und er lobte Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in allen Politiker-Ranglisten weit vor Scholz auf Platz eins liegt.
Auch die anderen beiden Ampel-Parteien gehen in eine schwierige Wahl. Die Grünen müssen erneut um den Wiedereinzug in einen Landtag bangen. Auch bei der FDP, die in Thüringen und Sachsen nur noch auf 1,1 und 0,9 Prozent kam, wird die Ampel-Kritik immer breiter – allerdings auch die Angst vor Neuwahlen.
Der Blick auf die Bundestagswahl ist nach Brandenburg ziemlich unverstellt. Bis zum 28. September 2025 gibt es nur noch eine Landtagswahl, und die findet am 2. März in Scholz‘ Heimatstadt Hamburg statt. Die bundespolitische Bedeutung wird aber gering eingeschätzt.
MICHAEL FISCHER