WIE ICH ES SEHE

Industriepolitik – das Unwort des Jahres

von Redaktion

Jedes Jahr gibt es in Deutschland eine sprachkritische Aktion, in der das Unwort des Jahres bestimmt wird. Für mich steht schon fest, welches Wort es in diesem Jahr sein muss angesichts des Dilemmas, das die Subventionierung einzelner Industrieunternehmen anrichtet. Unternehmen müssen ihre Produktion nach Preisen und dem Wettbewerb ausrichten und nicht nach politischen Wünschen oder staatlichen Ideen. Die Gestaltungskraft vieler Einzelner im Wettbewerb um die beste ist das „Entdeckungsverfahren“ für Fortschritt, Wohlstand und eine bessere Umwelt.

Die jetzige Bundesregierung steht mit ihrer Politik der industriellen Einzelförderung schon jetzt vor einem Scherbenhaufen. Der Stahlhersteller Thyssenkrupp befindet sich in massiver Schieflage trotz Milliardensubventionen. Der Chip-Konzern Intel baut sein mit zehn Milliarden Steuergeld gefördertes Werk in Magdeburg nicht. Wolfspeed, ebenfalls aus der Mikroelektronikbranche, beerdigt seine Pläne für eine geförderte Fabrik im Saarland. Und Habecks Lieblingsprojekt in Heide, seiner holsteinischen Heimat, eine Batteriefabrik der schwedischn Firma Northvolt zu fördern, dürfte ebenfalls vor dem Scheitern stehen. Das schwedische Unternehmen ist nämlich gerade dabei, um das Überleben zu kämpfen wegen massiver Probleme. Wieder einmal hat die Politik auf das falsche Pferd gesetzt.

Eigentlich ist es ja gut, dass die für das Magdeburger Intel-Projekt vorgesehenen zehn Milliarden jetzt helfen könnten, den Bundeshaushalt ehrlicher zu machen. Aber das Habeck-Ministerium will davon nichts wissen. Ifo-Präsident Clemens Fuest hat daher zu Recht die Sorge, dass die jetzt frei gewordenen Intel-Milliarden „industriepolitisch erneut fehlerhaft eingesetzt werden“. Der Wirtschaftsminister hat sogar schon eine Idee. Bei einem Besuch in Papenburg meinte er in dieser Woche, Bund und Land dächten darüber nach, wie man den „Sanierungskurs“ von Volkswagen unterstützen könne. Das Unternehmen habe für Deutschland zentrale Bedeutung.

Industriepolitik wird auch in Brüssel gelebt. Teresa Ribera, neue Kommissarin für Wirtschaft und Wettbewerb, hat schon wortreich erklärt, einen „neuen wettbewerbspolitischen Ansatz“ entwickeln zu wollen. Europäische Unternehmen sollen „mehr darin unterstützt werden, auf dem Weltmarkt aufzusteigen“. Sie verwechselt Größe, auf die es gar nicht so ankommt, mit Wettbewerbsfähigkeit, die entscheidend ist. Sie und Frau von der Leyen folgen dem französischen Muster der industriellen Konzentration. Dass die nicht funktioniert, zeigt sich an der vergleichsweisen Schwäche der französischen Industrie.

Öl in dieses Feuer der Industrieplanung zu Lasten des Leistungswettbewerbs gießt Ex-EZB-Präsident Draghi. Seine Analyse über die Rückstände der EU-Wirtschaft, die er Frau von der Leyen vorgelegt hat, ist nicht neu. Dafür aber ist – nach einer Aussage des früheren EZB-Chefvolkswirtes Otmar Issing – die Lösung, die Draghi anbietet, „neu, aber erschreckend“. Er schlägt nämlich der EU vor, auf die Rückzahlung der in der Corona-Krise aufgenommenen Schulden zu verzichten und zusätzlich weitere Milliarden in die Industrie zu pumpen. Dass dieses Leben auf Schulden auf Dauer den Euro und unseren Wohlstand zerstören muss, machen ihm, wie offensichtlich auch Frau von der Leyen und der plötzlich so wirtschaftsmächtigen Dame aus Spanien keine Sorgen.

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