Monatelang hingen die „Wahlen im Osten“ wie ein Damoklesschwert über der Bundespolitik. Jetzt sind sie vorbei – und es kam noch schlimmer als befürchtet. Auch in Brandenburg, also vor den Toren Berlins, haben AfD und BSW Ergebnisse eingefahren, die bei den Ampel-Parteien im Westen Schnappatmung auslösen. Zu Recht, denn hier werden Grundpfeiler der Bundesrepublik infrage gestellt: die offene Gesellschaft, die Westbindung, mitunter die Demokratie. Doch statt jetzt wieder ins ewig gleiche Gejammer einzustimmen, lautet die Frage: Werden die Ergebnisse endlich echte Konsequenzen haben? Inhaltlich. Aber auch personell.
Deutschland kann sich keine Regierung mehr leisten, die sich noch ein weiteres Jahr bis zur Bundestagswahl am 28. September 2025 schleppt. Mit einem kommunikativ schwachen Bundeskanzler, der immer wieder über Führung spricht, sie aber vermissen lässt. Mit einer Regierung, deren führende Köpfe (Habeck, Lindner) offenbar keine persönliche Ebene für eine Zusammenarbeit mehr finden. Mit Prioritäten, die zu viele Menschen inzwischen nicht mehr teilen. Dabei geht es auch – aber keineswegs nur – um Migration, sondern um die kaputte Infrastruktur oder die quälende Bürokratie. An keinem der Probleme trägt allein die Ampel Schuld, aber nichts davon hat sie verbessert.
Auch wenn „der Osten“ sicher anders tickt als manche Region im Westen, sind die Ergebnisse ein Hilferuf, dass sich etwas ändern muss. Ein Hilferuf an fast alle Parteien des politischen Berlins. Denn AfD und BSW kommen auch bundesweit aktuell gemeinsam auf 30 Prozent. Die FDP erlebte in Brandenburg dagegen einen weiteren Wahlabend jenseits der Wahrnehmungsschwelle. Die Grünen wurden mehr als halbiert. Der Ampel wird kein Vertrauen mehr entgegengebracht, auch der Aktionismus in der Migrationspolitik nach der Tat von Solingen hatte nicht den gewünschten Effekt. Bitter für die Union: Auch die CDU konnte nicht von der Kür von Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten profitieren.
Doch wenn sich heute in Berlin die Parteien zusammensetzen, fehlt die Hauptperson: Olaf Scholz ist zur UN nach New York geflogen. Kanzlerroutine. So, als wäre daheim nichts los. Dabei müssten alle Alarmglocken schrillen, wenn der beliebte Dietmar Woidke ersten Zahlen zufolge auch deshalb die AfD ganz knapp niederrang, weil er Scholz in dessen Zweitheimat (der Wahlkreis des Kanzlers liegt in Potsdam) Auftrittsverbot erteilte. Symbolischer geht es kaum: Das Land braucht einen Neuanfang, doch der Kanzler weilt auf einem anderen Kontinent.
MIKE.SCHIER@OVB.NET