Schmilzt der Vorsprung der FPÖ?

von Redaktion

Am Sonntag wählt Österreich. FPÖ-Chef Herbert Kickl durfte lange damit rechnen, dass er als Sieger aus der Nationalratswahl hervorgehen wird. Auf der Zielgeraden kommt dem rechten Klima-Skeptiker eine Flut in die Quere.

Hitzige Debatten im Nationalrat: FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl attackiert am Rednerpult Bundeskanzler Karl Nehammer. Der will es nicht hören. © IMAGO

Wien – „Euer Wille geschehe“, so wirbt die rechte FPÖ bei der Nationalratswahl in Österreich um Stimmen für ihren Vorsitzenden Herbert Kickl. Der Slogan mit Vater-Unser-Anklang soll helfen, den 55-jährigen scharfzüngigen Rechtspopulisten zum, wie er es nennt, Volkskanzler zu machen. Der erstmalige Sieg der Freiheitlichen Partei bei einer Nationalratswahl schien mehr als ein Jahr lang ausgemachte Sache. Zu deutlich war der Vorsprung in allen Umfragen. Doch dieser Vorsprung ist auf zwei Prozentpunkte vor der konservativen ÖVP von Kanzler Karl Nehammer geschmolzen. Dann kam auch noch das Hochwasser, und der Regierungschef ergriff die Chance, sich als Kümmerer und Krisen-Manager zu positionieren. Werden die Karten neu gemischt?

In den Umfragen liegen die seit Jahrzehnten etablierten Rechtspopulisten bei rund 27 Prozent. Damit erreichen sie ein Niveau wie 1999 und 2017. Ihr möglicher Spitzenplatz ist Ergebnis der Schwäche von ÖVP und SPÖ. Bei bisherigen Wahlen waren beide Parteien aber deutlich stärker, als es ihnen die Demoskopen heute voraussagen.

„Die FPÖ steht auf einem sehr soliden Sockel“, sagt Politik-Analyst Thomas Hofer. Für die FPÖ könnte es zwar am Wahlabend knapper als gedacht werden, ein erfolgreiches Überholmanöver der ÖVP ist aber laut Hofer schwierig. Im Wahlkampf hat die FPÖ nicht aufgehört, die Zuwanderung scharf anzuprangern und die Impfpflicht während der Corona-Krise zu geißeln.

Ein wesentlicher Grund für die Stabilität der Rechtspopulisten, die nach der Ibiza-Affäre vor fünf Jahren ziemlich am Boden lagen, ist ihre Kommunikationsstrategie. Die Partei hat sich praktisch ein eigenes Medienhaus geschaffen: durch Millionen an Interaktionen in Sozialen Medien und das auf Youtube ausgestrahlte FPÖ-TV mit seinen 200000 Abonnenten. „Keine andere Partei hat einen so direkten und umfangreichen Draht zu ihren Anhängern“, sagt Hofer. Geschickt hat die FPÖ zudem kurz vor der Wahl ein Wirtschaftsprogramm präsentiert, das in Teilen verlockend klingt, aber keine Vorschläge zur Finanzierung enthält. Neue Steuern werden abgelehnt.

Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Österreich mit dem zweiten Rezessionsjahr in Folge und steigender Arbeitslosigkeit dürfte jede Partei, die ökonomische Kompetenz suggeriert, bei den Wählern punkten. Das FPÖ-Programm hat in dieser Hinsicht viele Schnittmengen mit dem der noch regierenden ÖVP. „Inhaltlich sind sich beide Parteien ohnehin sehr nah“, sagt Hofer.

Doch da gibt es aus Sicht der Konservativen ein großes Problem namens Kickl. Für die ÖVP ist eine erneute Koalition mit der FPÖ zwar im Prinzip denkbar, aber nur ohne Kickl in der Regierungsmannschaft. Zuletzt hatten die beiden Parteien von 2017 bis 2019 zusammen regiert. Kickl war damals Innenminister. Aus Sicht der ÖVP hinterließ er einen massiv geschwächten Verfassungsschutz. Bei der FPÖ wiederum gilt es als ausgeschlossen, dass die Rechtspopulisten nach einem Wahlerfolg ihren Vorsitzenden opfern.

Viele Kritiker warnen, dass die Menschenrechte in Gefahr seien, sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen. Auch die Russland-Politik der Rechtspopulisten macht sie angreifbar. So hat die FPÖ nichts gegen Gas aus Russland und würde auch aus dem Projekt einer europäischen Raketenabwehr aussteigen.

Es spricht also einiges für eine Koalition aus ÖVP und SPÖ oder – wenn nötig – gar für ein Dreier-Bündnis mit den liberalen Neos. Denn ÖVP und Grüne haben sich in ihrer gemeinsamen Regierung seit 2019 sehr entfremdet. Da scheinen die Liberalen als Königsmacher durchaus attraktiv. Die Neos betonen ihren Regierungswillen und vor allem ihren Willen zu Reformen im Bildungs- und Rentensystem. Spannend bleibt die Frage, wie die ÖVP und die SPÖ miteinander könnten, denn die Sozialdemokraten sind unter ihrem 2023 gewählten Chef Andreas Babler weit nach links gerückt. Viele seiner sozialpolitischen Forderungen, etwa nach einer Erbschaftsteuer, sind für die konservative ÖVP aber inakzeptabel.

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