Umstrittene Feier: Ein Screenshot von einem der Videos der AfD-Anhänger in Brandenburg, die im Netz für heftige Debatten sorgten. © X
Berlin – Am Tag nach der Wahl in Brandenburg geistert durch die Sozialen Netzwerke ein Video von der AfD-Feier in Brandenburg. Junge Menschen tanzen ausgelassen. Zur Melodie des Songs „Das geht ab. Wir feiern die ganze Nacht“ der Band Die Atzen singen sie: „Hey das geht ab, wir schieben sie alle ab, sie alle ab“. Dazu halten sie eine Tafel mit der Aufschrift „Millionenfach abschieben“ hoch. Im Netz herrscht große Aufregung, die Polizei prüft eine Anzeige. Nur die AfD-Spitze bewertet das Abschiebe-Lied als unproblematisch.
Es hat sich etwas verschoben im Land, das ist nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland offensichtlich. Das Konzept der „Brandmauer“ gegen die AfD werde dauerhaft nicht funktionieren, prophezeit die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel. Doch Anzeichen dafür, dass sich an der ablehnenden Haltung der anderen Parteien gegenüber ihrer in Teilen rechtsextremistischen Partei etwas ändern wird, gibt es bislang nicht.
Weder in Thüringen noch in Sachsen oder in Brandenburg besteht für die AfD nach den jüngsten Landtagswahlen eine Aussicht auf eine Beteiligung an einer Regierung. Zwar haben sich in diesen drei Bundesländern jeweils rund 30 Prozent der Wähler für die AfD entschieden, deren Nachwuchs Lieder über Abschiebungen singt und sich „im Widerstand“ wähnt. Doch auch wenn sich die anderen Parteien teils enorm verbiegen müssen, um ohne sie eine Koalition zu bilden – auf die AfD geht bisher niemand zu.
Dass die strikte Ablehnung durch die etablierten Parteien nicht für das BSW von Sahra Wagenknecht gilt – dass auch die Brandenburger SPD gemeinsam mit der CDU zu Sondierungen einlädt– , sorgt in der AfD-Spitze für Frust. Das BSW werde gewählt von Leuten, „die den Kanal voll haben von CDU, SPD, Linken, Grünen“, sagt Hans-Christoph Berndt. Mit ihm als Spitzenkandidaten war die AfD bei der Landtagswahl in Brandenburg am Sonntag mit 29,2 Prozent auf dem zweiten Platz hinter der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke gelandet. Berndt, der im Wahlkampf einen Ausschluss von Asylbewerbern von Volksfesten forderte, analysiert, die BSW-Wähler glaubten: „Das BSW ist eine Alternative, die ist nicht ganz so krass, kann man wählen, ändert sich doch was.“ Er hofft, dass die BSW-Wähler bald merken würden, dass sich mit dem BSW doch nichts ändere – „dann wird der Zauber ganz schnell verfliegen“.
Tatsächlich vertritt das BSW in der Migrationspolitik und in Bezug auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ähnliche Positionen wie die AfD. Parteigründerin Sahra Wagenknecht forderte zum Beispiel zuletzt Maßnahmen zur Senkung der Asylzahlen, die sie selbst als „sehr radikal“ bezeichnete: Sie verlangt eine Regel, „dass nur diejenigen in Deutschland noch ein Asylverfahren und auch Anspruch auf Leistungen haben, die nicht aus einem sicheren Drittstaat einreisen – und die Beweispflicht liegt beim Antragsteller“. Bedeuten würde das: fast niemand mehr. Da dürfte die AfD glatt mitgehen.
Doch einige der Narrative, mit denen die Rechtspopulisten zurzeit im Osten erfolgreich auf Stimmenfang gehen, verfangen im Westen weniger stark. Das liegt vor allem am anderen Blick auf Russland. Doch auch Migranten sind im Westen schon viel länger fester Bestandteil der Gesellschaft. Die nächsten Landtagswahlen finden im März in Hamburg statt. Die letzte Infratest-Umfrage liegt schon ein paar Monate zurück, aber die AfD war in der Hansestadt damals nur einstellig, obwohl es da das BSW noch nicht gab.