KOMMENTAR

Die SPD fährt auf Sicht – mit Blick auf die Wahl

von Redaktion

Rentenpaket II

Ausnahmsweise war die Ampel sich mal einig. Im Frühjahr präsentierten FDP-Finanzminister Christian Lindner und SPD-Sozialminister Hubertus Heil gemeinsam das Rentenpaket II. Es war ein Kompromiss – die einen bekamen in Ansätzen ihre Aktienrente, die anderen ihre Haltelinie beim Rentenniveau. Ende Mai ging alles durchs Kabinett, doch jetzt stockt es im Bundestag. Die zweite Reihe der FDP befürchtet eine zu hohe Belastung der arbeitenden Mitte. Und das nicht zu Unrecht.

Es ist ein zweischneidiges Schwert. Denn natürlich gehören auch diejenigen zur arbeitenden Mitte, die sich in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit befinden, und verständlicherweise darauf hoffen, dass eine Haltelinie beim Rentenniveau sie vor unangenehmen Überraschungen kurz vor dem Ruhestand bewahrt. Das ist genauso nachvollziehbar wie die Sorgen von Rentnern, die fürchten, ihren Lebensstandard womöglich künftig nicht mehr halten zu können. Doch andererseits ist die Haltelinie ein massiver Eingriff ins System, der Jüngere klar benachteiligt. Denn damit das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinkt, müssen deren Beiträge künftig deutlich steigen. Und bereits jetzt ist absehbar, dass die Ausgaben in Zukunft noch enorm an Fahrt aufnehmen werden. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz argumentiert, auch die heute 17-Jährigen hätten später ja mal etwas von dieser Haltelinie, wirkt angesichts der demografischen Entwicklung hingegen wenig glaubwürdig. Der Eindruck: Die SPD fährt auf Sicht – und hat vor allem die kommenden Wahlen im Blick.

Ohnehin wird auch diese Reform – wenn sie denn kommt – nicht mehr als Stückwerk bleiben. Denn auch das von der FDP als Paradigmenwechsel gefeierte Generationenkapital ist in seiner mickrigen Form nahezu bedeutungslos. Gleichzeitig bleiben unangenehme, aber entscheidende Fragen weiter ungeklärt – wie zum Beispiel die nach der Rente mit 63 oder allgemein dem Rentenalter. Die Anhebung auf 67 Jahre ist 2031 abgeschlossen. Soll es noch höher gehen, muss die nächste Regierung das entscheiden. Oder klar sagen, wie es sonst durch die schwierigen Jahrzehnte gehen soll. Die Ampel war dazu nicht in der Lage.
SEBASTIAN.HORSCH@OVB.NET

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